Gefährliche Bugwelle in der Ostsee

Drastischer Personalabbau, kleinere Flotte - Schifffahrtsamt Stralsund warnt vor den Folgen

  • Martina Rathke, Stralsund
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Wasser- und Schifffahrtsamt in Stralsund ist die Autobahnmeisterei der südlichen Ostsee und der Flüsse. In den 25 Jahren seines Bestehens kamen viele neue Aufgaben hinzu - bei weniger Personal.

Weniger Schiffe, weniger Personal, dafür aber zusätzliche Aufgaben: Das Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) in Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) hat seit seiner Gründung tiefreichende Veränderungen erlebt. Der Personalbestand sei von 448 Mitarbeitern auf inzwischen 287 reduziert worden, sagte der Leiter der Behörde, Holger Brydda, am Mittwoch. Auch die Anzahl der Schiffe habe sich seit der Wende von 41 auf acht reduziert. »Die Arbeit ist stark technisiert und enorm verdichtet«, sagte Brydda.

Mit deutlich weniger Mitarbeiter und weniger, dafür aber besser ausgestatteten Schiffen müsse das Wasser- und Schifffahrtsamt die Befahrbarkeit und Verkehrssicherheit auf denselben Bundeswasserstraßen gewährleisten wie 1990 - und das bei nahezu gleichbleibendem Schiffsverkehr.

Das WSA in Stralsund, das am Freitag sein 25-jähriges Bestehen beging, ist für 800 Kilometer Fahrwasser in der Ostsee und 130 Kilometer auf Binnengewässern zuständig. Insgesamt 1200 Tonnen sowie 150 Baken und Feuer müssen gewartet werden.

Durch die Personalreduzierung passiere es, dass Behördenschiffe nicht mehr so eingesetzt werden könnten wie bislang. Eine schleichende Absenkung gewohnter Standards sei zu befürchten, sagte Brydda. So würden Tonnen und deren Verankerungen nicht mehr im Zwölfmonatsrhythmus - einem über Jahre bewährten Rhythmus - kontrolliert werden können, sondern nur noch in größeren Zeitabständen. »Wir schieben eine zunehmend größer werdende Bugwelle vor uns her«, sagte der Leiter des Tonnenhofes, Manfred Cygan. Ein Drittel aller vor Deutschlands Küsten ausgelegten Tonnen liegen vor Mecklenburg-Vorpommern.

Vorläufig ist der Personalabbau immerhin gestoppt. Mit der Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen soll es in Stralsund und Lübeck zu keinen weiteren Personalreduzierungen kommen. Die beiden Ämter - so sieht es die Reform vor - sollen zum Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ostsee verschmelzen. Wann das passiert, ist offen. Die Standorte Stralsund und Lübeck sollen erhalten bleiben.

Nach Angaben Bryddas hat sich der Verkehr auf der Ostsee seit 1990 verändert. In der Kadetrinne würden jährlich weiter konstant um die 63 000 bis 65 000 Schiffe gezählt. In den küstennahen Gewässern gehe der Güterverkehr hingegen zurück, während im Gegenzug ein enormer Anstieg an touristischer Schifffahrt zu verzeichnen sei. Auch für sie müssten die Fahrwasser freigehalten werden, allerdings möglicherweise nicht mehr mit den gewohnten Durchfahrtstiefen. Kostentreiber sind in der Ostsee die Ausbaggerungen von versandeten Zufahrten nach dem Eintrag von Sedimenten. Dem Wasser- und Schifffahrtsamt stünden dafür durchschnittlich zwei Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, wie Brydda sagte. Derzeit wird die Nordansteuerung nach Stralsund für 4,5 Millionen Euro ausgebaggert.

Im Jahr 2013 wurden die Bundeswasserstraßen bundesweit nach ihrer Wichtigkeit kategorisiert. Danach sind in Mecklenburg-Vorpommern lediglich die Wasserstraßen nach Rostock in die bedeutende A-Kategorie aufgenommen. In der B-Kategorie ist Mecklenburg-Vorpommern nicht vertreten. In die C-Kategorie wurden die Ostansteuerung Stralsund und der Nördliche Peenestrom aufgenommen. Alle anderen Wasserwege würden unter der Kategorie »sonstige« aufgeführt, für die nur sporadisch Finanzmittel zur Verfügung stünden.

Die Bundesregierung will in den kommenden Jahren und Jahrzehnten 2800 Kilometer nicht mehr benötigter Wasserstraßen renaturieren. Ob davon auch Flüsse in Mecklenburg-Vorpommern betroffen sind, ist offen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) gaben Mitte September den Startschuss für das Bundesprogramm »Blaues Band«. Als Beispiele für Flüsse, die infrage kämen, nannte sie Aller, Lahn, Werra, Fulda und Nahe - keinen Fluss im Nordosten. dpa/nd

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