Rückrufaktion bei VW startet 2016
Auch US-Wettbewerbshüter schließen sich Ermittlungen gegen Volkswagen an / EU-Kommision kündigt schärfere Abgastests an / LINKE: Bundesregierung muss Entschädigungsfrage schnell klären
Update 15.40 Uhr: Freiwilligkeit genügt nicht: Im Abgas-Skandal bei Volkswagen hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nun den Rückruf von 2,4 Millionen Dieselautos angeordnet. Die Rückrufaktion werde Anfang 2016 starten und von der Flensburger Behörde überwacht, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag in Berlin. Er rechtfertigte den ungewöhnlichen Schritt mit der Dimension des Manipulationsskandals. Bei Diesel-Fahrzeugen mit 1,2-Liter- und Zwei-Litermotoren reiche vermutlich ein Software-Update, sagte Dobrindt. Autos mit 1,6-Liter-Dieselmotoren könnten voraussichtlich erst im September 2016 in die Werkstatt. Volkswagen hatte nach Bekanntwerden des Manipulationsskandals lediglich angekündigt, die betroffenen Fahrzeuge ab Januar zurückzurufen und erklärt, die Reparaturen würden etwa ein Jahr lang dauern.
Die stellvertretende Fraktions- und Parteivorsitzende der LINKE sowie Sprecherin für Verbraucherschutz, Caren Lay, forderte die Bundesregierung auf, schnellstmöglich die Entschädigungsfrage zu klären: »Verbrauchertäuschung und organisierter, planmäßiger Betrug sind kein Geschäftsmodell. Es ist das Mindeste, das VW die entstehenden Mehrkosten der betroffenen Autobesitzerinnen und –besitzer, beispielsweise durch höhere Kfz-Steuern oder Versicherungstarife, übernimmt.« Eine schnelle und rückhaltlose Aufklärung des Abgasskandals sie auch im Interesse der Beschäftigten von VW und den Zuliefererbetrieben.
Bundesamt ordnet Rückruf von über zwei Millionen VW-Fahrzeugen an
Berlin. »Wir ordnen den Rückruf an«: Nach Informationen von Spiegel Online hat das Kraftfahrzeug-Bundesamt (KBA) mit Sitz in Flensburg damit einen Plan von Volkswagen zurückgewiesen, den das Unternehmen Anfang Oktober vorgelegt hatte. Demnach wird das KBA von der VW-Spitze einen »verpflichtenden Rückruf aller im Markt befindlichen Diesel-Fahrzeuge« mit der entsprechenden Software verlangen und sich nicht mehr auf die freiwillige Aktion von VW einlassen. Darüber hinaus werde das KBA von VW Zeitpläne mit klaren Fristen für eine vollständige Aufklärung der technischen Probleme beim 1,6-Liter-Dieselmotor verlangen. VW hatte erklärt, bei diesem Motorentyp müssten auch Hardware-Teile nachgerüstet werden, weshalb die Reparatur erst im September 2016 beginnen könne. Laut »Bild« verlangt die Behörde nun eindeutige Fristen für die Vorlage der kompletten Aufklärung und für die technische Lösung.
Im Skandal um manipulierte Abgaswerte von Dieselfahrzeugen ermitteln nun auch die obersten Wettbewerbshüter der USA gegen Volkswagen. Die Handelsbehörde FTC erklärte am Mittwoch, sie habe sich den Untersuchungen anderer US-Behörden angeschlossen. In Deutschland will laut einem Pressebericht das Kraftfahrtbundesamt (KBA) einen Zwangsrückruf der betroffenen VW-Fahrzeuge anordnen. Die EU-Kommission kündigte schärfere Abgastests an.
In den USA ermitteln bereits die Umweltbehörde EPA sowie das Justizministerium gegen den Wolfsburger Autokonzern. Volkswagen droht wegen der 500.000 von dem Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeuge in den USA eine Strafzahlung der EPA in Höhe von bis zu 18 Milliarden Dollar (15,7 Milliarden Euro).
Die FTC ermittelt unter anderem wegen irreführender Werbung. In den Vereinigten Staaten ist Diesel-Treibstoff teurer als normales Benzin. VW hatte daher in den USA für seine Dieselfahrzeuge mit dem Hinweis auf den geringeren Schadstoffausstoß geworben.
EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska forderte den Autokonzern auf, alle Fakten so schnell wie möglich auf den Tisch zu legen. »Diese Affäre muss vollständig aufgeklärt werden, um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen«, sagte sie der »Bild«-Zeitung. Die Offenlegung sei »im Interesse Volkswagens und der gesamten europäischen Autoindustrie«. Bienkowska kündigte zudem die Verschärfung der Abgastests zur Zulassung neuer Fahrzeuge an. »Bis Ende des Monats werden wir neue Abgastests auf den Weg bringen«, sagte sie. Dabei würden »die tatsächlichen Stickstoffemissionen im Straßenverkehr« gemessen. »Die Zeit der Labortests ist vorbei«, sie die EU-Kommissarin. Agenturen/nd
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