Thüringer Jusos stützen Ramelow
Scheler: Enthaltung im Bundesrat bei Abstimmung über Anti-Asyl-Paket richtig / Weiter Debatte über Email der Landespolizeidirektion / Umfrage: Linkspartei verliert
Berlin. Kurz vor der Abstimmung über das umstrittene Anti-Asyl-Paket der Bundesregierung im Bundesrat haben die Thüringer Jusos sich hinter den Kurs des linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow gestellt. Die designierte Landesvorsitzende Saskia Scheler sagte, die Entscheidung des rot-rot-grünen Kabinetts in Erfurt, sich in der Länderkammer zu enthalten, sei richtig gewesen. Die SPD-Fraktion hatte dagegen auf eine Zustimmung gedrungen und den Beschluss der rot-rot-grünen Landesregierung kritisiert. Zwar sei es zu begrüßen, dass sich der Bund stärker als bisher an den Kostenbeteilige, meinte Scheler. »Dass es mehr Sachleistungen statt Bargeld geben wird, lehnen wir aber ab.«
»In Deutschland gibt es ein Grundrecht auf Asyl.« Deshalb dürfe es keine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen geben. Auch seien Bedenken wegen zu hoher Kosten grundlos: »In Deutschland gibt es genug Geld, es muss nur gerechter verteilt werden.« Scheler erinnerte daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg viele Deutsche selbst Vertriebene waren. Der Bundesrat will an diesem Freitag über schärfere Asylgesetze abstimmen. Der Bundestag beschloss sie bereits am Donnerstag.
Derweil geht der Streit über eine schon Monate alte Anweisung an Polizisten weiter, unter bestimmten Umständen nicht über Vorfälle in Flüchtlingsheimen zu informieren. Das Innenministerium müsse die Vorgänge lückenlos aufklären, forderte die oppositionelle CDU, die ihren Vorwurf erneuerte, es sollten offenbar Straftaten in Flüchtlingsunterkünften von der Polizei verheimlicht werden.
Das »Freie Wort« hatte aus einer E-Mail der Landespolizeidirektion Nordhausen zitiert, in der es nach Angaben der Zeitung heißt, dass bei »Einsätzen in den Unterkünften, die keine Außenwirkung erzielen«, »keine Pressemeldung gefertigt« werde. Nur bei größeren Vorfällen wie Bränden oder Massenschlägereien solle informiert werden. Die E-Mail stammt vom 4. Februar.
Eine Polizeisprecherin in Nordhausen bestätigte, dass es ein solches Schreiben gab. »Allerdings nicht mit dem Ziel, dass Vorfälle verheimlicht werden«, unterstrich sie. In einer seit langem bestehende Dienstanweisung für die Öffentlichkeitsarbeit stehe, dass Fälle nur dann öffentlich gemacht werden, wenn Persönlichkeitsrechte nicht verletzt werden oder ein öffentliches Interesse besteht.
Nach Angaben des Innenministeriums regelt die Dienstanweisung zum Beispiel die Zuständigkeiten und Abläufe der Pressearbeit. Aus dem Ministerium selbst kam nach eigener Auskunft keine Weisung an die Landespolizeidirektionen oder an eine nachgeordnete Dienststelle zum Umgang mit Auskünften zu Asylbewerbern. Auch von der Mail der Polizei in Nordhausen habe das Ministerium keine Kenntnis gehabt.
In einem privaten Internetblog des Regierungssprechers Alexander Fischer heißt es zu der Debatte, die in den Medien zitierte Email könne nicht als Beleg dafür gewertet werden, dass in der Landespolizeiinspektion Nordhausen Beamte zum wahrheitswidrigen Verschweigen von Straftaten gegenüber der Öffentlichkeit angewiesen wurden. »Lässt sich eine acht Monate alte Mail seriös in einen zeitlichen Zusammenhang zur politischen Bearbeitung gegenwärtigen Flüchtlingskrise stellen? Nein«, so Fischer. Ebensowenig gebe es eine Anweisung der Landesregierung bzw. des Innenministeriums. Fischer fragt schließlich: »Ist die Lancierung und verkürzte Darstellung einer acht Monate alten Mail ein Beleg für die zunehmende Hysterisierung der öffentlichen Kommunikation über die Flüchtlingskrise?«
Unterdessen zeigt eine aktuelle Umfrage Verluste für die Linkspartei in Thüringen. Kam sie bei der Landtagswahl 2013 noch auf 28,2 Prozent, so wären es gegenwärtig 24,5 Prozent, so Zahlen des Erfurter Insa-Institut im Auftrag der »Thüringischen Landeszeitung«. Die SPD könnte der Umfrage zufolge mit 15,5 Prozent rechnen, nach 12,4 Prozent bei der Landtagswahl vor 13 Monaten. Nach 5,7 Prozent bei der Wahl im Herbst 2014 verbuchen die Grünen derzeit 6,5 Prozent. Rot-Rot-Grün kommt damit zusammen auf 46,5 Prozent der Stimmen.
Hinzugewinnen kann die CDU mit aktuell 35,5 Prozent - ein Zuwachs von 2 Prozentpunkten. Für die Rechtspartei AfD würden sich gegenwärtig 12,0 Prozent der Wähler entscheiden, während es zur Landtagswahl erst 10,6 Prozent waren. Das Umfrage-Institut kommt zu dem Ergebnis, dass das Flüchtlingsthema die politische Stimmung im Land prägt, was vor allem zulasten der führenden Regierungspartei, der Linken, gehe. Kritiker weisen darauf hin, dass das Institut auch die AfD berät. Agenturen/nd
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