Zwanziger: Es gab »schwarze Kasse« bei WM-Bewerbung
Ehemalige DFB-Präsident bezichtigt Nachfolger Niersbach der Lüge
Dortmund. In der Affäre um die WM 2006 hat der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger erstmals die Existenz einer schwarzer Kasse bestätigt. Damit artet der Fall endgültig zur Schlammschlacht im größten Fußballverband der Welt aus. Zwanziger erklärte am Freitag im Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«: »Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab.«
Zwanziger, früher auch Finanzchef des WM-Organisationskomitees, ging dazu noch seinen Intimfeind Wolfgang Niersbach frontal an. Es sei »ebenso klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005. So wie ich das sehe, lügt Niersbach.«
Nur wenige Minuten zuvor hatte das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes seinem amtierenden Chef ausdrücklich Rückendeckung gegeben. »Wir werden gemeinsam mit Wolfgang Niersbach den Weg der lückenlosen Aufklärung gehen«, sagte Vizepräsident Reinhard Rauball nach einer Sitzung in Dortmund.
Im Zentrum dieser Affäre steht vor allem eine Zahlung von umgerechnet 6,7 Millionen Euro, die 2002 von dem damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus für das deutsche WM-Organisationskomitee an die FIFA geflossen war. Drei Jahre später überwies das OK dieses Geld über ein FIFA-Konto und deklariert als Beitrag für eine FIFA-Gala an den Franzosen zurück.
Unter Berufung auf ein Telefonat mit dem damaligen OK-Vize Horst R. Schmidt erklärte Zwanziger nun dem »Spiegel«, dass diese Summe 2002 tatsächlich an den Katarer Mohamed Bin Hammam, von 1996 bis 2011 Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees und damals noch Unterstützer des umstrittenen Präsidenten Joseph Blatter geflossen sei. Sollte das stimmen, hätte der DFB in jenem Jahr den Wahlkampf des skandalumwitterten und mittlerweile gesperrten Blatter finanziert.
Das DFB-Präsidium erklärte am Freitag: »Wir halten strikt daran fest, dass die Dinge extern aufgearbeitet werden sollen, dass lückenlos aufgeklärt wird - auch für den Fall, dass es unangenehm wird für den ein oder anderen Beteiligten«, so Rauball. Der Präsident des Ligaverbandes geht davon aus, »dass wir Wochen, Monate und vielleicht noch sehr viel länger mit diesem Thema befasst sein werden«.
Niersbach selbst, der mit seinem Vorgänger Zwanziger schon seit Jahren eine innige Feindschaft verbindet, gab nach der dreistündigen Präsidiumssitzung in einem Dortmunder Hotel keine Stellungnahme ab. Er hatte sich am Vortag bei einem heftig kritisierten Auftritt in Frankfurt zum ersten Mal zu den ominösen 6,7 Millionen Euro geäußert.
Der DFB-Präsident erklärte, dass dieses Geld nicht zur Bestechung von FIFA-Funktionären verwendet worden sei, sondern als Bedingung für einen millionenschweren Organisations-Zuschuss aus der Kasse des Fußball-Weltverbands. Niersbach betonte außerdem, in alle Verhandlungen und Entscheidungen rund um diese Geldflüsse nie eingeweiht gewesen zu sein.
Doch das öffentliche Echo auf seine Pressekonferenz war verheerend. Der DFB-Chef wirkte angeschlagen und hatte auf nahezu keine Nachfrage eine schlüssige Antwort. Auch auf die bereits am Donnerstag aufgetauchte Frage, ob mit den 6,7 Millionen tatsächlich Blatters Wahlkampf mitfinanziert worden sei, meinte er nur: »Wer es (das Geld) dort bekommen hat, das entzieht sich meiner Kenntnis. Das kann nur die FIFA beantworten.« Beispielsweise die Zeitung »Die Welt« schrieb am Freitag von einer »beschämenden Posse«.
Auch aufgrund dieses öffentlichen Drucks war vor der Präsidiumssitzung über einen möglichen Rücktritt des 64-Jährigen spekuliert worden. In den vergangenen Tagen waren immer mehr enge Vertraute und Mitstreiter auf Distanz zu ihm gegangen.
Franz Beckenbauer, als Präsident des WM-Organisationskomitees die zentrale Figur dieser Affäre, ließ seinen alten Freund Niersbach zuletzt komplett im Regen stehen. Auch mehrere Präsidenten der Landesverbände hatten Niersbach öffentlich unter Druck gesetzt. Auf die Frage, ob es am Freitag intern Rücktrittsforderungen an den DFB-Chef gegeben habe, antwortete Rauball jedoch mit einem »klaren Nein«. dpa/nd
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