Kränkelndes Krankenhauskonzept

Vorpommern büßt weitere medizinische Einrichtungen ein - jetzt ist Wolgast im Visier

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Empfindliche Veränderungen stehen Kliniken im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns bevor. Gynäkologie, Geburtshilfe und Kindermedizin in Wolgast werden nach Anklam umziehen müssen.

»Für den neuen Plenarsaal im Schweriner Schloss werden über 20 Millionen ausgegeben, aber uns wird die Kinderklinik zugemacht, weil sie zu wenig Geld einbringt!« Mit solchen und ähnlich herben Worten schimpften Bürger in Anklam, als sie im September erfuhren: In »ihrem« Krankenhaus wird es fortan keine Kinderstation mehr geben. Nicht ausgelastet sei sie und demzufolge unwirtschaftlich, lautete die Begründung. Durch die wenigen Patientinnen und Patienten würden die Personal- und Sachausgaben nicht aufgefangen.

Schon im Januar war die Kinderstation, die im Anklamer Ameos-Klinikum von der Universitätsmedizin Greifswald betreut wird, an Wochenenden geschlossen. Der Grund: Arztmangel. Mehrere Mediziner waren selbst erkrankt. Schließlich wurde die Abteilung zum 1. Oktober aufgelöst. Als »Schlag ins Gesicht der Pommern«, empfanden das erboste Leserbriefschreiber.

Womöglich werden nun Bürgerinnen und Bürger in Wolgast einen »Schlag« beklagen, verabreicht von Sozialministerin Birgit Hesse (SPD) durch ihr aktuelles Konzept, das die Krankenhauslandschaft im Kreis Vorpommern-Greifswald umbaut. Voraussichtlich Anfang 2016 soll das geschehen, war zu erfahren. Nach jenen Plänen, von Hesse jetzt präsentiert, wird die Wolgaster Klinik sowohl ihre Abteilung für Kindermedizin verlieren als auch die Stationen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Beides soll ins knapp 40 Kilometer entfernte Anklam umziehen. Die Kinderabteilung dort würde dann wieder geöffnet. Im Gegenzug werde die Intensivmedizin in Wolgast ausgebaut, auch erhalte das Krankenhaus eine geriatrische Tagesklinik, kündigt die Ministerin an. Die medizinische Versorgung älterer Menschen werde künftig eine größere Bedeutung bekommen. In diesem Bereich habe sich Wolgast in den vergangenen Jahren einen guten Ruf erworben. Zudem sei das Krankenhaus wichtig in puncto Notfallversorgung, besonders mit Blick auf die Touristen, die während der Saison in die Region reisen.

Beide Standorte, Wolgast und Anklam, sollen erhalten bleiben, betont Birgit Hesse. Dazu seien aber Veränderungen in den Strukturen nötig, zum Beispiel eine bessere Vernetzung ambulanter und stationärer Angebote sowie eine Abstimmung der Leistungsangebote untereinander. Dafür gebe es von den Krankenkassen und auch von der Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern »viel Zuspruch«.

Keinen Zuspruch erfährt Hesses Konzept etwa bei den Landtagsgrünen. Deren sozialpolitische Sprecherin Silke Gajek kritisiert, die Ministerin habe die Schließung der Wolgaster Geburtsstation nicht wirklich durchdacht. Immer wieder werde von Müttern, Hebammen, Gynäkologen und Kinderärztinnen die »Geburtshilfe aus einer Hand« gefordert: von der Vorsorge während der Schwangerschaft über die Geburt und die Nachsorge bis zur Stillberatung. Dafür wäre ein Modellversuch mit einem Geburtszentrum in der Nähe der Wolgaster Klinik »geradezu prädestiniert«, meint Gajek.

In solch einem Zentrum, so die Politikerin, könnten auch Gemeinschaftspraxen, Familienhebammen, Schwangerschaftsrückbildung oder Mütterberatung ansässig sein. Vor allem für Familien im ländlichen Raum wäre so etwas wichtig. Stattdessen, rügt Silke Gajek, »werden wieder längere Wege in Kauf genommen, und es ist nicht nur eine theoretische Frage, ob die Geburtshilfe im Rettungswagen ein Qualitätssprung sein soll«.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.