Wer hat, dem wird gegeben
Der neue Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) untersucht auch die Auswirkungen der Exzellenzinitiative. Von Manfred Ronzheimer
Alle drei Jahre veröffentlicht die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine detaillierte Statistik, die Auskunft gibt, in welche Wissenschaftseinrichtungen und in welche Fächer ihre Fördermittel geflossen sind. Von der Bezeichnung »Ranking« sind die Bonner Forschungsförderer inzwischen abgerückt, weil dies, so die Begründung, die hehre Wissenschaft zu sehr an populäre Leistungs-Checks wie Bundesliga-Tabelle und Bestseller-Listen gerückt habe. Heute nennt sich das Zahlenwerk nüchtern »Förderatlas«. Auf der Basis von zehntausenden von Daten von DFG und anderen Drittmittelgebern werde Einblick gegeben, »wo und wie Spitzenforschung in Deutschland Früchte trägt«.
Die Zahlen belegen: Die öffentliche Forschung wird immer abhängiger von Drittmitteln. Diese Gelder kommen neben den eigenen Einnahmen der Hochschulen und der Grundfinanzierung durch den Staat aus öffentlichen Fördertöpfen mit Wettbewerbsverfahren oder aus Wirtschafts-Aufträgen. So erhielten die deutschen Hochschulen von ihren Einnahmen in Höhe von 40,2 Milliarden Euro im Jahre 2012 knapp 6,8 Milliarden Euro aus Drittmitteln. Die »Drittmittelquote« (das Verhältnis zu den Grundmitteln) erhöhte sich binnen eines Jahrzehnts von 20 auf inzwischen fast 30 Prozent. Das schafft nicht nur Abhängigkeiten, sondern die Wissenschaft befindet sich immer stärker im Wettbewerbsmodus.
Der Geldsegen verteilt sich sehr unterschiedlich. Auf 110 Universitäten entfallen 93 Prozent der Drittmittel (6,3 Milliarden Euro), während mit den restlichen knapp 500 Millionen Euro insgesamt 317 Hochschulen auskommen müssen. Die 45 Universitäten, die an den beiden Runden der Exzellenzinitiative beteiligt waren, konnten allein 5,1 Milliarden Euro einwerben, nämlich 82 Prozent aller Drittmittel. Der Matthäus-Effekt lässt grüßen: Wer hat, dem wird gegeben.
Die Hochschule, die seitens der DFG die meisten Drittmittel ergatterte, ist mit 278 Millionen Euro in den drei Jahren 2011 bis 2013 die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, die sich stets ein Wettrennen mit der ingenieurlastigen Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen lieferte (272 Millionen Euro). In dieser Runde war allerdings die Uni Heidelberg noch besser, die mit 275 Millionen Euro die Silbermedaille ergatterte. Auf den weiteren Plätzen folgen die TU München, Freie Universität Berlin, die Unis Göttingen und Freiburg, das Karlsruher KIT und die Humboldt-Uni Berlin. Ostdeutsche Hochschulen sind noch immer abgeschlagen, holen aber auf. Den größten Sprung auf Platz 10 in der Tabelle machte die TU Dresden, die in den 1990er Jahren noch auf Rang 35 gelegen hatte. DFG-Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek attestierte den Sachsen »eine bemerkenswerte Entwicklung«.
In Fächergruppen waren bei den Geistes- und Sozialwissenschaften die Berliner Unis FU und HU die erfolgreichsten DFG-Antragsteller, gefolgt von Heidelberg, Frankfurt (Main) und Münster. In den Lebenswissenschaften lag die LMU München vorn, gefolgt von Heidelberg, Freiburg und Göttingen. In den Naturwissenschaften plus Mathematik errang die Uni Bonn den Besten-Lorbeer, vor Hamburg, LMU München und KIT. Bei den Ingenieurwissenschaften ist erneut Aachen der Champion, auf den Plätzen: Darmstadt, Erlangen-Nürnberg und Stuttgart.
Für die Forschungsstatistiker war diesmal besonders wichtig, aus den Daten bestimmte Effekte aus der Exzellenzinitiative herauslesen zu können, ob positiver oder negativer Art. Diese Ergebnisse sind auch von Bedeutung für die anstehende Entscheidung über das Format der dritten Exzellenzrunde. Nach Dzwonnek hat sich in den letzten Jahren vor allem die internationale Sichtbarkeit der deutschen Wissenschaft erhöht. So seien bis 2014 rund 4000 Wissenschaftler aus dem Ausland nach Deutschland gekommen, um hier in einer Graduiertenschule (rund 2400) oder einem Exzellenzcluster (rund 1600) mitzuwirken. Auch in den Regionen habe, ausgelöst durch die neuen Maßnahmen der Exzellenzinitiative, eine stärkere Vernetzung innerhalb der Wissenschaft stattgefunden. Die wissenschaftlichen Publikationen nahmen stark zu. So stieg die Zahl der Veröffentlichungen in den Fächern Physik und Chemie in den Jahren 2002-2013 bundesweit um 25 Prozent, an den Exzellenz-Unis aber um 43 Prozent.
Erstmals wurden im Förderatlas auch »großräumige Forschungsregionen« betrachtet. Dazu wurden die Adressen aller rund 28 000 einzelnen Institute an den deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen nach den 96 Raumordnungsregionen der Bundesrepublik sortiert. Die daraus generierte Landkarte zeigt vier rot leuchtende »Hotspots« mit der höchsten Wissenschaftsdichte in Deutschland: Berlin-Brandenburg, München, Ruhrgebiet/Köln/Bonn sowie Stuttgart. Die Grafik visualisiert zugleich die »polyzentrische Struktur« der deutschen Wissenschaft mit weiteren zwölf Regionalclustern und weiteren Unterzentren. Diese bieten in der Fläche, so der DFG-Bericht , »beste Voraussetzungen für instituts- und einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit vor Ort«, etwa mit der regionalen Wirtschaft.
Kritisch äußerte sich die wissenschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Nicole Gohlke, zu den Befunden der DFG-Statistik. »Die seit Jahren sinkende Grundfinanzierung der Hochschulen hat zu einer Spaltung der deutschen Hochschulen geführt«, erklärte die Bundestagsabgeordnete. Während an Exzellenzstandorten »mit großzügigen Budgets geforscht« werden könne, hätten viele Hochschulen außerhalb der Ballungszentren kaum mehr die notwendige Ausstattung. »Daher fordern wir eine stärkere regionale Verteilung von öffentlichen Forschungsmitteln«, so Gohlke, die zudem eine »Umwandlung von Drittmitteln in Grundfinanzierung« für notwendig hält.
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