Polizei setzte AfD-Aufmarsch gewaltsam durch
Tausende protestieren in Berlin-Mitte gegen Rechtspartei: Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein
Größer hätte der Kontrast zu Beginn der Demonstration der »Alternative für Deutschland« (AfD) am Samstag in Berlin nicht seien können. Während von der Bühne klassische Musik die wartenden Teilnehmer bei Laune halten soll und Blumen zum Zeichen der Friedfertigkeit verteilt werden, springen einige Meter weiter sportlich gekleidete, tätowierte Männer auf und ab. Die offensichtlich der rechten Hooliganszene zuzurechnenden Personen, unter ihnen ehemalige Mitglieder des Berliner »Bündnis Deutscher Hools«, bauen sich bedrohlich an den Absperrgittern auf. Mit ins Gesicht gezogenen Tüchern und teilweise mit (auf Demonstrationen verbotenen) Quarzsandhandschuhen ausgestattet, suchen sie am Zugang zur Auftaktkundgebung der AfD in der Spandauer Straße immer wieder die Konfrontation mit Gegendemonstranten. Diesen gelang es kurzzeitig, einer ankommenden Gruppe von AfD-Anhängern mit einer Sitzblockade den Weg zu versperren. Behelmte Polizisten eilten zur Hilfe und schleusten die rechten Demonstranten unter Einsatz von Pfefferspray durch die Protestierenden hindurch. Es blieb nicht die letzte Eskalation des Tages.
Etwa 1000 Menschen waren bereits am Vormittag einem Aufruf des Bündnisses »Stopp AfD« zu einem Demonstrationszug gegen die rechtspopulistische Partei gefolgt. Im Anschluss waren Blockaden der Demoroute der AfD geplant. »Wir erleben im Moment eine neue Form der rassistischen Mobilisierung, in der die AfD heute versucht auf der Straße ein Erfolg zu erlangen, das wollen wir mit unserem Widerstand gemeinsam verhindern«, begründet Hannah Eberle von »Stopp AfD«, die Aktionen des Bündnisses aus antifaschistischen Gruppen. Die AfD versuche mit ihrer Demonstration den rassistischen Straßenprotesten gegen Flüchtlinge ihren Stempel aufzudrücken. Eine Rednerin auf dem Lautsprecherwagen spart auch nicht mit Kritik an der momentanen deutschen Flüchtlingspolitik: Was die AfD in ihrem Aufruf als Asylchaos bezeichne, sei in Wahrheit die härteste Verschärfung des Asylrechts aller Zeiten. Die Adressaten der Kritik, die Parteien, fanden sich einige Stunden später zu einer symbolischen Protestkundgebung für ein weltoffenes Berlin am Brandenburger Tor zusammen. Hier blieb Klaus Lederer von der LINKEN der einzige Redner, der kritische Worte für die Bundesregierung fand.
Nach Polizeiangaben waren bis zu 5000 AfD-Anhänger aus dem gesamten Bundesgebiet angereist zu der Demo, die von der Karl-Liebknecht-Straße über Unter den Linden bis zum Hauptbahnhof führen sollte. Die Stimmung war von Anfang aufgeheizt. Noch vor Beginn griffen 60 anreisende AfD-Anhänger aus Bayern Teilnehmer einer Gegenkundgebung an. »Ich bin geschlagen worden«, berichtete Oliver Höfinghoff dem »nd«. Die parteilose Abgeordnete der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus hat deshalb Anzeige erstattet. Aggressiv reagierten die Teilnehmer der AfD-Demonstration, unter denen sich auch das Mitglied im Berliner Landesvorstand der rechtsextremen NPD Uwe Meenen und eine größere Gruppe weiter erkennbarer Neonazis befanden, auch auf anwesende Pressevertreter. Ein Reporter der ZDF-Satiresendung »Heuteshow« in einem Clownskostüm wurde von »Lügenpresse« rufenden Demonstrationen umringt. »Er hat gesagt, das ist hier eine Karnevalsveranstaltung, aber es ist uns bitterer Ernst«, zetert ein älterer Mann.
Immer wieder tauchten am Rande der AfD-Route Gegendemonstranten auf. Mehrere hundert Antifaschisten versuchten an verschiedenen Stellen auf die mit Gittern weiträumig abgesperrte Straße Unter den Linden zu gelangen. Sie wurden von der Polizei durch den massiven Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray wieder vertrieben. Den insgesamt 1100 eingesetzten Polizeibeamten gelang es letztendlich, die Aufzugstrecke freizuhalten. Zahlreiche verletze Gegendemonstranten sind der Preis dafür, wie in sozialen Netzwerken hinterher zu lesen ist. Die Rechtshilfegruppe »Ermittlungsausschuss« meldete am späten Nachmittag zudem 39 Festnahmen im antirassistischen Lager.
Angekommen am Washingtonplatz, holte die AfD-Bundessprecherin Frauke Petry zum politischen Rundumschlag aus. Dabei ließ sie sich von einem kurzfristigen Ausfall des Generators und einigen fliegenden Eiern und Tomaten nicht irritieren. Es ging um die Eurokrise, um die NSA, aber vor allem um das aktuelle Lieblingsthema der AfD: Flüchtlinge. Bundeskanzlerin Merkel lasse sich am politischen Nasenring herumführen, polterte Petry, von wem, ließ sie offen. Nach dem Absingen der Nationalhymne sollte es für den Teil, der nicht mit den bereit gestellten Bussen nach Berlin gefahren war, über den Hauptbahnhof nach Hause gehen. Gegendemonstranten machen dem Abreiseplan aber zunächst einen Strich durch die Rechnung, sie strömten in großen Gruppen in das Bahnhofsgebäude, die Polizei konnte zunächst nur zuschauen. Nach einigen Rangeleien konnten die AfD-Anhänger schließlich auf den Bahnsteig zu den abfahrbereiten S-Bahnen gebracht werden.
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