Pinkelndes Pack

Mielke macht mobil

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie es mir gehe, erkundigte sich per Mail eine Freundin. Gut, schrieb ich ihr, soweit es einem in der offenen Psychiatrie gut gehen kann. Auf ihre irritierte Nachfrage, ob das ironisch gemeint sei, konnte ich sie - fürs Erste - beruhigen. Natürlich möchte ich in keiner Weise über eine wichtige medizinische Einrichtung flachsen, deren Hilfe gewiss noch viele Deutsche in Anspruch nehmen müssen. Indes erschien es mir als treffende Beschreibung meiner aktuellen Gemütslage in diesem Land, zumal ich gerade mit einem Video konfrontiert worden war, in dem sich ein als Clown kostümierter ZDF-Redakteur todesmutig unter AfD-Demonstranten gemischt hatte. Der Clown wirkte sehr, sehr traurig; vielleicht, weil die ihn mit »Lügenpresse«-Rufen Bedrängenden über noch weniger Humor verfügten als er selbst. Ein Karneval der Leidkulturen.

Später las ich dann ein Interview, das die öffentlich-rechtliche Anstalt Südwestrundfunk (SWR) mit dem Politikwissenschaftler Gerd Mielke von der Universität Mainz geführt hatte. Laut Wikipedia beschäftigt der Mann »sich vorrangig mit der Erforschung von landespolitischen Fragen«. Diese Spezialisierung stehe »in engem Zusammenhang mit seiner langjährigen Tätigkeit in der Staatskanzlei Mainz. Daneben forscht und lehrt er auf den Gebieten der Wahlsoziologie, der Parteienforschung und dem Forschungsfeld zur Entwicklung von Regierungszentralen.« Ein weites Feld also, das ihn gewiss prädestiniert, sich zur Lage der Nation zu äußern.

In dieser akademischen Bestandsaufnahme findet sich der bemerkenswerte Satz: »Pegida ist ›Pack‹, aber im Wesentlichen ostdeutsches ›Pack‹.« Mielke plädiert »für ein sehr drastisches Vorgehen gegen die Anhänger der Rechten, ganz so, wie man es mit Herzensfreude seinerzeit gegen die Friedensbewegung oder bei Stuttgart 21 praktiziert hat«. Vermutlich steht auch Mielkes Ruf nach dem Polizeistaat »in engem Zusammenhang mit seiner langjährigen Tätigkeit in der Staatskanzlei Mainz«. Jedenfalls, so der forsche Forscher, sollte man »auf eine konsequente Einschüchterung des ›Packs‹ durch eine konsequente Kriminalisierung setzen«, aber es nicht beim bloßen Zeigen der Instrumente belassen, denn: »Wenn sich die Mengen von rechtsaffinen Kleinbürgern in Dresden in einem dreistündigen Polizeikessel erst alle mal in die Hose gepinkelt haben und abschließend mit Wasserwerfern traktiert wurden, dann haben sie für eine geraume Weile genug vom Demonstrieren.«

Genau das ist die Sprache, die einzige Sprache, die das Pack noch versteht. Da muss erst ein Honorarprofessor aus der südwestdeutschen Provinz kommen, um diese einfache und effektive Lösung zu zeigen. Selbst SWR-Chefreporter Thomas Leif war darob offenbar so beeindruckt, dass er weder zustimmen noch widersprechen noch kommentieren konnte. Ist auch gar nicht nötig. Allerdings - Akif Pirinçci würde an dieser Stelle einwerfen: »Es gäbe natürlich andere Alternativen ...« Aber der Mann ist leider nicht mehr zitierbar, seit seine sämtlichen Katzenkrimis auf dem Index gelandet sind - wegen notorischer Missachtung des Tierschutzgesetzes. Wir halten uns lieber an Herrn Mielke und seinen politischen Urin-Stinkt … äh … Ur-Instinkt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.