Keine freie Fahrt mehr über Trelleborg und Öresund
Schweden führt Kontrollen ein / Mitregierende Grüne: Stockholm will »geordnete Regeln an seinen Grenzen, diese aber nicht schließen«
Schweden hat bislang europaweit, gemessen an der Einwohnerzahl, am meisten Flüchtlinge aufgenommen. Doch nun verschärft es wie andere Länder auch seine Asylpolitik. Seit Donnerstagmittag müssen Reisende bei der Passage von Deutschland und Dänemark nach Schweden wieder ihre Pässe vorzeigen. Die Kontrollen sollen nur stichprobenhaft sein.
Die Maßnahme kommt überraschend. Noch vor wenigen Tagen hatte die rot-grüne Regierung eine entsprechende Forderung der bürgerlichen Opposition abgelehnt. Doch nun hat angeblich das Migrationsamt Stockholm darüber informiert, dass es nicht mehr Herr der Lage ist und Grenzkontrollen zwingend seien. Die Wirkung der Grenzkontrollen auf die Lage in Deutschland und Dänemark wird vom tatsächlichen Umfang der Kontrollen abhängen. Betroffen sind sämtliche Straßen- und Zugverbindungen der dänisch-schwedischen Öresundbrücke, die Kopenhagen und Malmö verbindet. In einem der am Nachmittag über die Brücke gerollten Züge haben rund 20 Beamte fast alle Passagiere kontrolliert und laut der Stockholmer Zeitung »Aftonbladet« einige zum Aussteigen genötigt. Diese werden aber vermutlich nicht abgeschoben, sondern in Asylbewerberzentren gefahren.
Auch die Fährverbindungen von Deutschland und Dänemark nach Helsingborg und Trelleborg in Südschweden wurden kontrolliert. In Trelleborg warteten am Nachmittag Busse auf mögliche Flüchtlinge. Fährenbetreiber wurden aufgefordert, die Identität aller Passagiere zu überprüfen. 43 Personen ohne Papiere wurden laut der Stockholmer Zeitung »Expressen« in Rostock vom Fährbetreiber nicht mit nach Trelleborg genommen.
»Geordnete Regeln an den Grenzen zu haben, bedeutet nicht, die Grenzen zu schließen«, sagte Gustav Fridolin, Chef der mitregierenden und betont einwanderungsfreundlichen Grünen am Donnerstag. Schwedens Innenminister Anders Ygeman kündigte aber an, dass Flüchtlingen eine Reise durch Schweden nach Finnland und Norwegen nicht mehr möglich sei. Entweder die Flüchtlinge beantragen an Schwedens Grenze Asyl oder sie müssen zurück nach Deutschland oder Dänemark, sagte er. Abgelehnte Flüchtlinge werden bis zu ihrer Zwangsrückkehr in polizeilichen Gewahrsam genommen.
Die Kontrollen sind offiziell auf zehn Tage befristet. Vermutlich werden sie länger gelten. Die Polizei ist auf sechs Monate vorbereitet, hieß es auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. »Nun sind es zehn Tage, danach können wir um 20 weitere Tage verlängern. Aber wenn das irgendeine Wirkung haben soll, muss es eine längere Zeit geben«, sagte der Chef der Migrationsbehörde Anders Danielsson.
Laut Schengener Abkommen darf Schweden die Grenzkontrollen alle 30 Tage wieder verlängern, wenn es eine »Bedrohung der allgemeinen Ordnung« feststellt. Danielsson unterstrich, dass mit dieser Maßnahme die überbeanspruchten Aufnahmekapazitäten in Schweden zugunsten wirklicher Kriegsflüchtlinge entlastet werden sollen. Die Kontrolle diene auch dazu, dass ein Teil der Flüchtlinge nicht wie bislang einfach in die Illegalität verschwinden könne. Dass es letztlich darum geht, den Flüchtlingsstrom nach Schweden zu verlangsamen und zu reduzieren, wollten weder Innenministerium noch Migrationsbehörde einräumen.
Im Oktober fuhren täglich rund 1000 Flüchtlinge über Schleswig-Holstein nach Skandinavien, die allermeisten nach Schweden. Am Donnerstag warteten rund 900 Flüchtlinge in Notunterkünften in Rostock auf eine Passage nach Schweden. Die norddeutschen Regionen bereiten sich derzeit darauf vor, dass mehr Flüchtlinge bei ihnen stranden.
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