Der globale Blick aus dem All

Gespräch mit Jean-Yves Le Gall, Präsident der französischen Weltraumagentur CNES

  • Lesedauer: 5 Min.

Was genau tut das Centre National d’Études Spatiales (CNES)?

Das CNES wurde 1961 von Präsident Charles de Gaulle gegründet. Das CNES schlägt die französische Raumfahrtpolitik vor und setzt sie um, vertritt Frankreich in internationalen Luft- und Raumfahrtgremien und entwickelt Trägerraketen, Satelliten und Bodenanlagen. Wir haben vier Zentren: unseren Sitz und die Trägerraketendirektion in Paris, die Satelliten werden im Raumfahrtzentrum in Toulouse entwickelt und wir starten die europäische Trägerraketenfamilie vom Raumfahrtzentrum in Kourou in Französisch-Guyana. Das CNES zählt insgesamt 2500 Mitarbeiter und hat im laufenden Jahr ein Budget von 2,1 Milliarden Euro, die zu 80 Prozent direkt an die Industrie gehen, die die Raketen, Satelliten sowie die notwendigen Bodenanlagen mitentwickelt und dann baut.

Welche Rolle spielt die internationale Zusammenarbeit?

Fast all unsere Programme werden zusammen mit anderen Ländern durchgeführt, vor allem im Rahmen der Europäischen Weltraumagentur ESA. Hier ist Frankreich das Hauptgeberland, gefolgt von Deutschland. Die gesamte europäische Weltraumpolitik rankt sich um die französisch-deutsche Achse. Wir arbeiten sehr intensiv zusammen, und ich sehe sehr oft meine deutsche Kollegin, Pascale Ehrenfreund, die Vorstandsvorsitzende des DLR, und Jan Wörner, Generaldirektor der ESA. Diese enge Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern und ihren Weltraumagenturen ist der Schlüssel zum Erfolg des europäischen Raumfahrtprogramms.

Ende des Monats findet in Paris der Klimagipfel (COP21) statt. Gibt es Initiativen des CNES im Vorfeld?

Seit etwa zwei Jahren sensibilisieren wir unsere Kollegen in der ganzen Welt für die Vorbereitung der COP21. Wir haben eine gemeinsame Erklärung der Chefs der Weltraumagenturen aus aller Welt in Mexiko zum Thema Weltraumforschung und Klima organisiert, um die Regierungen daran zu erinnern, welche grundlegende Rolle Satelliten für die Beherrschung des Klimawandels spielen. In Frankreich organisieren wir in diesem Monat ein Kolloquium zum Thema Wasser- und Energiekreisläufe in den Tropen. Aber wir tun auch viel in Richtung breite Öffentlichkeit, so mit der »Klima-Box« auf den Pariser Champs-Élysées, der »Klima-Kuppel« im Hof des Umweltministeriums und dem »Klima-Zug«, der mit seiner Ausstellung und den Wissenschaftlern an Bord im Oktober in 19 Großstädten Frankreichs Halt gemacht hat. Wir stellen immer wieder fest, dass das Interesse der Öffentlichkeit am Thema Klimaveränderung sehr groß ist. Der Gipfel COP21 ist schon ein sehr großer Erfolg, weil das Bewusstsein in der Bevölkerung und bei den Verantwortlichen in aller Welt gewachsen ist, woher die Klimaveränderung kommt, welche Konsequenzen sie hat und was wir tun sollen.

Welche Rolle spielt das CNES mit seinen Satelliten bei der Erforschung der Klimaveränderungen?

50 entscheidende Variablen betreffen das Klima. Davon kann man 26 nur vom Weltraum aus beobachten. Acht unserer zehn Satellitenprogramme befassen sich ganz mit der Klimaforschung. Ihr Vorteil ist, dass sie über einen längeren Zeitraum, regelmäßig und unter immer den gleichen Bedingungen Fotos, Messungen und andere Informationen liefern, die man miteinander vergleichen und daraus Gesetzmäßigkeiten ableiten kann. Die drei wichtigsten Faktoren, die deutlich machen, dass sich das Klima verändert, werden durch Satelliten nachgewiesen. Das ist erstens die globale Temperaturerhöhung der Erdatmosphäre, zweitens das Ansteigen des Meeresspiegels und drittens die erhöhte Konzentration der Klimagase wie Methan und Kohlendioxid. Das hängt alles eng miteinander zusammen. Die Beobachtungen durch Satelliten haben in den zurückliegenden Jahren das Ansteigen des Meeresspiegels gezeigt sowie die Temperaturerhöhung und die Klimagaskonzentration. Künftig möchten wir einen Schritt weiter gehen und die Treibhausgasemissionen Region für Region untersuchen. So haben wir zusammen mit Deutschland die Initiative ergriffen, den »Merlin«-Satelliten zu entwickeln, mit dem gezielt untersucht werden soll, woher das Methan in der Atmosphäre kommt. Von unserer Seite arbeiten wir am Programm »Microcarb« für die Messung der Konzentration von Kohlendioxid. So gewinnt man eine Weltkarte mit den unterschiedlichen Quellen von Kohlendioxid-Emissionen, wie es sie heute so vollständig und mit dieser Genauigkeit noch nicht gibt. Dasselbe liefert »Merlin« für Methan.

Wird man dann zweifelsfrei nachweisen können, wie die Aktivitäten des Menschen und sein Eingriff in die Natur das Klima aus dem Gleichgewicht bringen?

Wir beobachten und wir messen seit Jahren mit Satelliten den Einfluss des Menschen auf die Atmosphäre. Deshalb werden vom Klimagipfel Selbstverpflichtungen erwartet, die Emission von Klimagasen so einzuschränken, dass die Temperaturerhöhung auf zwei Grad Celsius begrenzt bleibt. Mit der Temperaturerhöhung ist beispielsweise das Abschmelzen der Gletscher sowie der Eisdecke der Antarktis verbunden und damit der steigende Meeresspiegel mit all seinen Konsequenzen für die Menschen, die in Küstengebieten leben. In den letzten Jahrzehnten sind beispielsweise 600 Gletscher auf der Erde völlig verschwunden. Auch die Zerstörung der Tropenwälder, vor allem der in Afrika und im Amazonasbecken, die so wichtig für das Klima und den Wasserhaushalt sind, können wir mit Satelliten beobachten. Jedes Jahr verschwinden davon 13 Millionen Hektar, dreimal soviel wie die Fläche der Schweiz. Für 2020 bereiten wir im Rahmen der ESA und in enger Zusammenarbeit mit unseren deutschen Kollegen auch ein Satellitenprogramm namens »Biomass« vor, um den durch das Klima stark beeinflussten biologischen Bestand und damit die Artenvielfalt weltweit zu kartografieren.

Sie setzten Ihre Satelliten auch für die Hilfe bei Naturkatastrophen ein, bei denen man ja oft einen Zusammenhang mit den Klimaveränderungen vermutet?

Ja, im Jahr 2000 haben wir gemeinsam mit Weltraumagenturen aus aller Welt die Initiative für eine internationale Charta »Weltraum und Naturkatastrophen« ergriffen. In diesem Rahmen arbeiten 15 Länder zusammen und dieses Programm ist inzwischen schon 400 Mal aktiv geworden, zuletzt beispielsweise beim Erdbeben in Katmandu. Die betroffenen Länder bekommen vorrangig und kostenlos Satellitenfotos, Karten und andere Informationen über das Katastrophengebiet. Dadurch kann man die Hilfe optimieren und viele Menschenleben retten.

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