Kostensenkung soll es richten
Die Lufthansa hat sich in diesem Jahr wirtschaftlich erholt - trotz anhaltender Überkapazitäten in der Airlines-Branche
Des einen Streik, des anderen Freud: Der Billigflieger Ryanair hat auf seiner deutschen Facebook-Seite während des jüngsten Arbeitskampfes den Konkurrenten Lufthansa verballhornt. Aus dem neuen Lufthansa-Werbeslogan »Nonstop you« machte Ryanair kurzerhand »Nonstop Streiks« und empfahl sich selbst den gefrusteten Reisenden als preisgünstige Alternative.
Das ist mehr als nur ein Scherz. In Deutschland baut die irische Airline derzeit ihr Streckennetz aus. Ryanair ist schon lange nicht mehr der kleine David, der mit frechen Mitteln den übermächtigen Goliath Lufthansa ärgert. Dank des anhaltenden kräftigen Wachstums ist Europas größte Billigairline mit prognostizierten 105 Millionen Passagieren mittlerweile fast gleichauf mit dem Frankfurter DAX-Konzern. Auch Billigkonkurrent Easyjet vermeldete gerade ein Rekordjahr sowohl beim Gewinn (777,3 Millionen Euro) als auch bei der Passagierzahl (68,6 Millionen).
Ryanair macht sich auch deshalb über die Arbeitskämpfe lustig, da Streik in dem nicht gerade gewerkschaftsfreundlichen Unternehmen ein Fremdwort ist. Konzernchef Michael O’Leary erklärte erst kürzlich, Arbeitnehmervertretungen seien nicht im Interesse der Belegschaft. Und über tarifliche Details wie die Höhe der Betriebsrenten muss man schon deshalb nicht streiten, weil viele Beschäftigte bei Leiharbeitsfirmen eingestellt sind.
Dies ist die logische Kehrseite der preisgünstigen Tickets, mit denen die Billigairlines ihren Höhenflug bewerkstelligten. Und der hält weiter an. Mit ihnen flog im ersten Halbjahr 2015 jeder dritte Passagier auf den 26 Verkehrsflughäfen in Deutschland, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt gerade mitteilte. Im Sommer 2015 haben die Low-Cost-Fluggesellschaften in und ab Deutschland 754 Strecken angeboten, ein Plus von rund 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mittlerweile machen sich die Günstigflieger schon untereinander Konkurrenz.
Die Lufthansa ist längst selbst dick im Geschäft. Ihre auf billig getrimmte Tochter Germanwings/Eurowings, die niedrigere Gehälter zahlt als die Kerngesellschaft, ist in diesem Segment in Deutschland führend. Ihre Expansion wie auch das Kostensenkungsprogramm des Konzerns sollen weiter vorangetrieben werden. Dabei geht es der ehemaligen Staatsairline derzeit prächtig: Nach einem unerwartet guten Sommergeschäft und vor allem dank niedriger Treibstoffpreise hob Europas größter Luftverkehrskonzern Ende Oktober die Prognose für den um Sonderfaktoren bereinigten Gewinn vor Zinsen und Steuern für 2015 von 1,5 Milliarden auf 1,75 bis 1,95 Milliarden Euro an. Den Schaden des bisher längsten Streiks in der Firmengeschichte, den Analysten auf rund 150 Millionen Euro beziffern, kann der Konzern da finanziell locker wegstecken.
Generell ist für die Luftfahrt 2015 ein »sehr gutes Jahr«, wie Tony Tyler, Chef des Branchenverbands IATA, Ende Oktober auf der Jahrestagung in Hamburg erklärte. Die IATA erwartet einen branchenweiten Nettogewinn von umgerechnet knapp 26 Milliarden Euro bei einem Gesamtumsatz von gut 640 Milliarden. Trotzdem läuft nicht alles rund. Tyler wies auf Verbesserungsbedarf im Bereich der Sicherheit und der Sicherheitskontrollen an den Flughäfen hin, die Passagieren nach wie vor »Schmerzen« verursachten.
Nach den Pariser Anschlägen dürfte sich dieser Wunsch der Lobbyorganisation erledigt haben. Überhaupt hatten Terroranschläge negative wirtschaftliche Auswirkungen vor allem für die Tourismusbranche und die Luftfahrtindustrie. Dies ist aber nur ein Grund dafür, dass letztere in der ersten Dekade nach dem Jahrtausendwechsel in acht von zehn Jahren Verluste schrieb. Ein ruinöser Wettbewerb und vor allem Überkapazitäten sind ein Hauptproblem der Branche: Es gibt zu viele Airlines, die sich gegenseitig Passagiere wegnehmen, deren Gesamtzahl nicht wie erwartet ansteigt. »Der Irrsinn setzt sich fort, solange Regierungen noch die schützende Hand über ihre Airlines halten und massive Überkapazitäten nicht zu Marktbereinigungen führen«, heißt es bei der Unternehmensberatung Arthur D. Little. Die hoch subventionierten und stark auf Expansion setzenden Airlines aus dem Mittleren Osten haben dieses Problem massiv verschärft.
Gerade die Lufthansa ist zwischen ihnen und den ebenfalls boomenden Billigfliegern eingeklemmt. Dass der Konzern manche europäischen Strecken nur noch mit Germanwings bedient, kam bei Vielfliegern nicht gut an. Und die Gewerkschaften sind sauer über die unsozialen Seiten der Kostensenkungsstrategie. Ob diese nötig ist? Die Lufthansa zieht sich erheblich besser aus der Affäre als die deutsche Nummer zwei, AirBerlin. Diese konnte nur dank eines finanzstarken Investors überleben.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.