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Albe, Lauerer, Poltergeister
Jonathan Stroud lässt es in London wieder spuken
Es ist eine gruselige Welt, in der die Menschen in London leben: Geister unterschiedlichen Typs spuken - Albe, Wiedergänger, Blutrippen, Brabbler, Lauerer, Waberer, Leuchtende Knaben, Poltergeister und andere mehr - und Rettung können nur begabte Kinder, die sogenannten Sensiblen, bringen. In mächtigen Agenturen arbeiten sie als Fühlende, Schauende und Hörende. Sie spüren Gespenster auf und sorgen dafür, dass diese für immer verschwinden.
Jonathan Stroud: Lockwood & Co. Die raunende Maske.
A. d. Engl. v. Katharina Orgaß u. Gerald Jung. cbj. 460 S., geb., 18,99 €.
Auch Lockwood & Co ist eine solche Firma. Doch anders als die Marktführer Fittes und Rotwell wird sie nicht von Erwachsenen geleitet. Sie ist auch kleiner. Neben dem Chef, Anthony Lockwood, arbeiten dort die beiden »Agenten« Lucy Carlyle und George Cubbins und neuerdings auch die bezaubernde Assistentin Holly Munro. Sehr zu Lucys Leidwesen, hatte sie bisher doch die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres attraktiven - und geheimnisvollen - Chefs für sich allein. Nun muss sie mit der perfekten, hübschen und effizienten Holly konkurrieren.
Strouds drei Helden - »Die raunende Maske« ist nach »Die seufzende Wendeltreppe« und »Der wispernde Schädel« der dritte Band der Lockwood & Co-Reihe - haben bereits einige Abenteuer erlebt und Heldentaten vollbracht. Doch langsam werden aus den Kindern Jugendliche. Lockwood selbst setzt seinen Charme gekonnt ein, um die Damen der Erwachsenenwelt für sich einzunehmen. George ist nicht mehr der dicke, ungewaschene Nerd, sondern mausert sich zum kleinen Kriminalexperten. Und Lucy scheint es nicht mehr egal zu sein, wie sie aussieht und sich kleidet. Überdies spielt in Band 3 auch der hämische Geist im Glas eine größere Rolle, der sich als »wispernder Schädel« in Band 2 dem Trio anschloss, und mit dem Lucy dank der speziellen Begabung der Hörenden kommunizieren kann. Gemein und arglistig ist der Schädel aus dem Jenseits trotzdem. Doch erinnert er zunehmend an den smarten und frechen Dschinn Bartimäus, der in Strouds erster Trilogie der liebenswerte Protagonist war.
Die Fälle, die Lockwood & Co in »Die raunende Maske« lösen müssen, ähneln denen in den Vorgängerwerken. Dieses Mal ist ganz Chelsea von Geistern besetzt, ganze Straßenzüge sind gesperrt und Familien werden evakuiert, da das Spuken überhand nimmt. Weder Regierung noch die Polizei bekommen das Problem in den Griff. Eine riesige Taskforce durchkämmt Nacht für Nacht den Stadtteil und kann doch nichts ausrichten. Erst als Lockwood mit seinem Team Eingang in den Kreis der privilegierten Agenturen findet - wenn auch in Kooperation mit einem heftigen Wettbewerber der Geisterbefreiungsbranche - gelingt das Manöver: In einem alten Kaufhaus kann die Quelle der Unruhen ausfindig und unschädlich gemacht werden. Ein mächtiger Poltergeist und viele andere Spukgestalten werden mit traditionellen und modernen Geisterfängermitteln und -methoden - Silber, Eisen, Salz, Leuchtbomben, Kettennetzen, Salzpistolen und natürlich Degen - besiegt und für immer ins Jenseits verbannt.
Offenbar gibt es aber ein Geheimnis hinter dem Geheimnis des Kaufhauses. Und so hat Band 3 nicht wie die bisherigen Folgen der Geschichte eine Auflösung parat, sondern, ganz im Stil populärer Fernsehshows, einen offenen Ausgang. Das ist ein bisschen schade und auch ungewöhnlich. Traut Stroud seinen Lesern nicht mehr? Oder wäre das Buch - mit 460 Seiten ohnehin recht umfänglich - sonst zu dick geworden? Wer weiß.
Doch unabhängig davon, dass sich das Muster der Abenteuer, die die drei bzw. jetzt vier Helden seiner Geschichte bestehen, wiederholt, und davon, dass es gefühlt mitten in der Story endet, ist es ein weiteres schönes Buch eines Autors, der ganz wunderbar erzählen kann. Und das so nah an der fiktiven Realität, dass sich selbst erwachsene Leser zwischendurch ziemlich gruseln. Mehr kann man sich von einer Gespenstergeschichte eigentlich nicht wünschen.
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