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Ewald Weber berichtet Erstaunliches über das Zusammenleben von Pflanzen und Tieren

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

»Nichts in der Biologie ergibt einen Sinn außer im Lichte der Evolution.« Dieser Satz des ukrainisch-amerikanischen Zoologen Theodosius Dobzhansky gehört vermutlich zu den am häufigsten gebrauchten Zitaten in der biowissenschaftlichen Literatur. Leider wird er von vielen Menschen insofern missverstanden, als sie glauben, dass der Egoismus der Individuen, also der sprichwörtliche Kampf um die natürlichen Ressourcen, die entscheidende Triebkraft der Evolution sei. In Wirklichkeit sorgt neben der individuellen Konkurrenz auch das Zusammenwirken verschiedener Organismen für jene schier unendliche Fülle des Lebendigen, die uns heute zu Recht als schützenswert gilt.


Ewald Weber: Der Fisch, der lieber eine Alge wäre. Das erstaunliche Zusammenleben von Pflanzen und Tieren.
C.H. Beck. 245 S., geb., 19,95 €


Oder, wie der an der Universität Potsdam lehrende Schweizer Biologe Ewald Weber sagt: »Erst das Zusammenleben, das gegenseitige Beeinflussen, die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Arten gestalten die Natur und formen sie so, wie wir sie erleben.« Weber analysierte die ökologischen Beziehungen zwischen Pflanzen und Tieren, die sich keineswegs in einem endlosen Fressen und Gefressenwerden erschöpfen. Sie künden überdies von der Fähigkeit ungleicher Organismen, sich zum gegenseitigen Vorteil eng aneinander zu binden. Biologen sprechen hier auch von Mutualismus, als dessen bekannteste Form die Symbiose gilt.

Eine solche findet man beispielsweise bei Flechten, die aus zwei verschiedenen Arten bestehen: einem Pilz und einer Alge. Der Alge fällt die Aufgabe zu, Photosynthese zu betreiben und mit Hilfe des Sonnenlichts energiereiche organische Verbindungen herzustellen. Davon wiederum lebt der Pilz, der seinerseits für die Beschaffung von Wasser und Nährsalzen sorgt. Außerdem schützt er die Alge vor zu starkem UV-Licht und rascher Austrocknung. »Durch das Zusammenschließen bekommt die Flechte eine gänzlich neue Eigenschaft«, so Weber. »Sie kann extreme Standorte besiedeln, die weder der Pilz noch die Alge alleine meistern könnten. Die Krusten von Flechten auf nacktem Fels im Hochgebirge zeugen davon.«

Mit viel Sachkenntnis beschreibt Weber weitere mutualistische Beziehungen, darunter die Bestäubung von Blütenpflanzen durch nektarsammelnde Insekten sowie die Verbreitung von Pflanzensamen durch Landtiere. Außerdem beschäftigt er sich mit den erstaunlichen Abwehrmechanismen, die Pflanzen entwickelt haben, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Beispiel Weißklee.

Diese unscheinbare Pflanze wird gern von Schnecken angefressen, denen das aber schlecht bekommt. Denn die Pflanze setzt Blausäure frei, die das gefräßige Tier sofort in die Flucht schlägt. Das mag für manchen nach »höherer« Planung aussehen, es ist aber nichts als - Evolution!

Namentlich die mutualistischen Beziehungen zwischen Pflanzen und Tieren sind das Resultat einer oft Tausende oder gar Millionen Jahre währenden Entwicklung. Werden sie zerstört, wie das heute oft geschieht, verliert die Natur einen Teil ihrer Fähigkeit, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Webers Buch ist mithin mehr als eine lehrreiche Faktensammlung für Naturfreunde. Es ist vor allem ein Plädoyer für einen ganzheitlichen Umweltschutz, der sich nicht nur am Erhalt einzelner Arten orientiert, sondern auch daran, wie diese mit anderen Arten in lebendigen Netzwerken zusammenwirken.

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