Museen machen Sammlungen weltweit sichtbar
Kulturwissenschaftler digitalisieren Gemälde und andere Exponate - ein Besuch in der Bremer Kunsthalle
Bremen. Kulturwissenschaftlerin Viola Rosenau hört Renaissancemusik, während sie Albrecht Dürers »Meerwunder« digitalisiert. Zeit, sich die berühmte Radierung mit der liegenden nackten Frau anzusehen, bleibt kaum. »Es ist der immer gleiche Produktionsrhythmus: ausleuchten, eintesten, scannen«, sagt Rosenau über ihre Arbeit im Kupferstichkabinett der Bremer Kunsthalle.
Rosenau muss zügig arbeiten, Papierarbeiten reagieren sensibel auf jede klimatische Veränderungen und sollen deshalb so schnell wie möglich zurück in die Archivkästen. Aktuell werden mehr als 200 000 Papierarbeiten des renommierten Kupferstichkabinetts in Bremen digitalisiert und mit Suchbegriffen und Informationstexten in Online-Kataloge eingelesen.
Für Kunsthallen-Chef Christoph Grunenberg ist das längst überfällig: »Was wir besitzen, ist im Moment nur auf absolut altertümlichen Karteikarten mit Sütterlinschrift festgehalten sowie im Kopf der Mitarbeiter.« Das auf zehn Jahre angelegte und rund eine Million Euro teure Digitalisierungsprojekt macht die Sammlung weltweit sichtbar.
Internationale Vorbilder gibt es genug. Das Britische Museum in London, das Amsterdamer Reichsmuseum, der Louvre Paris und das Metropolitan Museum in New York gelten als Digitalisierungs-Vorreiter. In Deutschland hätten das Städel in Frankfurt am Main, das Deutsche Historische Museum in Berlin, die Staatlichen Museen zu Berlin und Dresden und das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig die umfangreichsten Online-Datenbanken, sagt Prof. Monika Hagedorn-Saupe vom Institut für Museumsforschung Berlin. Insgesamt seien deutsche Museen im Vergleich zu Schweden und Großbritannien aber hinten dran.
Gerade mal 5,5 Prozent der bei einer Untersuchung ihres Instituts befragten Museen hätten über eine Online-Objekt-Datenbank verfügt, in der User recherchieren können. Viele der mehr als 6000 Museen in Deutschland hielten stattdessen an traditionellen Vermittlungsmethoden fest: »Das Kerngeschäft bleibt die Präsentation der eigenen Sammlung im eigenen Haus.«
Doch die Angst, der Internet-Auftritt könne den realen Museen den Rang ablaufen, ist nach Ansicht der Professorin unberechtigt: »Jeder weiß aus Katalogen und dem Internet, wie die Mona Lisa aussieht. Gerade deshalb will man sie auch im Original sehen.« Wer sich für Leonardo da Vinci, für Möbel des 19. Jahrhunderts oder die Erwärmung der Weltmeere interessiere, werde im Internet recherchieren und dann oftmals gezielt zu dem jeweiligen Ausstellungshaus reisen.
»Für die Google-Generation zählt nur, was sie sofort findet«, bestätigt auch Katja Riemer, Digitalisierungsexpertin der Kunsthalle Bremen. Auch in ihren Augen ersetzt die neue Datenflut im Internet keineswegs das Live-Erlebnis: Die Aura von Originalen sei nur im Museum zu erleben.
Auch 360-Grad-Panoramen im Internet sollen neue Besucher anlocken. Das Museum Behnhaus Drägerhaus in Lübeck und der Schwedenspeicher in Stade ermöglichen Usern, die Räume virtuell zu betreten und interessante Details heranzuzoomen. Ohne Eintrittsgeld und beschränkte Öffnungszeiten. »Gerade überregionale Besucher können durch den detaillierten Einblick in die Ausstellung gezielter entscheiden, das Haus zu besuchen«, sagt Direktor Sebastian Möllers vom Schwedenspeicher, der via Internet auch junges Publikum anziehen will. dpa/nd
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