Provozieren und die Kamera draufhalten

Vorwurf Volksverhetzung: Drahtzieher der Neonazi-Gruppe »Besseres Hannover« stehen vor Gericht

  • Michael Evers
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Land ohne Ausländer ist laut Anklage ihr Ziel und Gewalt gegen Migranten ein probates Mittel dazu. In Hannover müssen sich zwei Männer verantworten, deren Markenzeichen ein Bärenkostüm war.

Pullunder, Jackett und ein adretter Haarschnitt: Die zwei auf der Anklagebank des Landgerichts sitzenden Rädelsführer der längst verbotenen Neonazi-Gruppe »Besseres Hannover« wirken eher wie Biedermänner denn wie rechte Prügler. Die Anklage legte ihnen zum Prozessstart am Freitag auch keine Übergriffe zur Last, wohl aber das Anstacheln zu Hass und Gewalt gegenüber Ausländern. Die Männer sollen die Urheber einer Videoserie sein, in denen Mitglieder der Gruppe in einem Bärenkostüm mit der Aufschrift »Abschiebär« posieren. Außerdem sollen sie in einer Droh-Mail den Einsatz einer »neuen Waffe« gegen Ausländer angekündigt haben. Die Anklage lautet auf Volksverhetzung.

Mit ihren ins Netz gestellten Filmen und Botschaften passen die 30 und 32 Jahren alten Angeklagten in den Wandel, den Verfassungsschutz und Polizei schon seit einiger Zeit in der rechten Szene beobachten. Weg von Kameradschaftssitzungen in Hinterzimmern hin zu publikumswirksamen Aktionen, die über das Internet verbreitet weit mehr Publikum finden als ein Aufmarsch einiger Glatzköpfe irgendwo in der Provinz. Provozieren und die Kamera draufhalten, unter diesem Motto überreichten Mitglieder der rechten Gruppe dem verdutzten Polizeipräsidenten den »Abschiebär« als Stoff-Maskottchen oder machten Ausländer zu unfreiwilligen Statisten in ihren Videos.

»Wir vertreten die Auffassung, dass das unter den Begriff der Satire fällt«, sagt Verteidiger Thomas Jauch im Gericht. Als die Videos, die der Anklage zugrunde liegen, im Saal vorgespielt werden, findet diese aber niemand zum Lachen. Teils unterlegt von dem Song »Dönerkiller« einer Neonazi-Band wird Spott mit Ausländern getrieben. Ein als Afrikaner verkleideter Statist etwa wird mit Bananen in den Kofferraum eines Kombis gelockt, an einem Waldweg passiert der Wagen ein dort aufgestelltes Schild mit der Beschriftung »Ausland«. Abschiebungen mit harter Hand jenseits von Recht und Gesetz, so die Anklage, hätten die Angeklagten damit propagieren wollen.

Auch wenn die Drahtzieher selber wohl nicht zu konkreten Taten übergingen, blieb ihre Hetze in eigenen Kreisen nicht ohne Wirkung. So wurde Anfang 2014 im Umland von Hannover ein 20-Jähriger gefasst, der eine Gedenktafel für eine von den Nazis zerstörte Synagoge, eine Dönerbude sowie mehrere Parteibüros beschädigt haben soll. Vor Gericht gestand der junge Mann auch einen Angriff auf den Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler, wofür er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Vom kommenden Dienstag an muss sich ein weiteres ehemaliges »Besseres Hannover«-Mitglied wegen einer Attacke auf einen dunkelhäutigen Mann vor Gericht verantworten.

Selbst nahmen die Angeklagten zu den Vorwürfen am Freitag noch keine Stellung, stattdessen setzten sie sich mit ihren Anwälten und dem Gericht zu einem Rechtsgespräch zusammen. Wohl um zu klären, welcher Strafrahmen bei einem Geständnis denkbar ist. Mit einer solchen Absprache könnte das Verfahren verkürzt werden.

Was die Angeklagten mit ihrer Hetze bezwecken wollten, fasste bereits die Anklage zusammen: Die Männer hatten demnach das Verbreiten der nationalsozialistischen Ideologie und die Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zum Ziel. Dabei hätten sie sich zum Kampf für einen Staat ohne Menschen mit Migrationshintergrund entschieden.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -