Mal nicht aus dem Indianerleben
Entdeckungen aus dem Nachlass von Liselotte Welskopf-Henrich
Es ist ein Glück, dass es die kleinen Verlage gibt, denen die Publikation ihrer Favoriten wichtiger ist als das große Geschäft. Dafür rackern sie sich ab und nehmen geringe Einkünfte in Kauf. Ein solcher Verlag ist der 2003 gegründete Palisander-Verlag aus Chemnitz. Da trafen sich drei Enthusiasten, die ihren Leidenschaften auch beruflich frönen wollten. Die Passionen sind fernöstliche Kampfkunst und Indianer. Die bisher erschienenen Bücher zu diesen Themen können sich sehen lassen.
War man als Indianerfan in der DDR aufgewachsen, musste man von der Begeisterung für das Schaffen von Liselotte Henrich-Welskopf infiziert sein, so auch Frank Elstner von eben jenem Verlag mit dem Namen eines haltbaren Edelholzes. Seit 2009 erschienen regelmäßig Bücher von und über Liselotte Welskopf-Henrich, zuweilen als E-Books und als Print.
In diesem Jahr veröffentlichte der Verlag gleich zwei Erzählungen aus dem Nachlass dieser ungewöhnlichen Frau. »Der Bergführer« erschien bereits 1954 einmal, damals jedoch spielte die Handlung entgegen der ursprünglichen Fassung nicht 1939, sondern wurde in die Nachkriegszeit ins kapitalistische Westdeutschland verlegt. Das verfälschte die Absicht einer genauen sozialen Darstellung erheblich, ging es doch um den Zweikampf zwischen einem naturverbundenen Bergführer und einem Touristen, der glaubte, der Natur trotzen zu können, nur weil er zahlt.
Mit dieser Geschichte wollte die Hobby-Kletterin sowohl den sozialen Verhältnissen in der Nazizeit nachspüren, als auch ihrer Naturliebe Ausdruck geben. Die kleine Erzählung ist wohl im Schaffen der Autorin eine Ausnahme. Liselotte Wels-kopf-Henrich, als Professorin für alte Geschichte tätig, hat es als Schriftstellerin meist nicht bei einem Buch zu einer Thematik belassen. Nach der Urfassung ihres Indianerromans »Die Söhne der großen Bärin« (1951) schuf sie einen Zyklus von sechs Bänden über das Leben des Dakota-Häuptlings. Auch ein zweiter Themenkomplex, über das Leben der Indianer in der Reservation »Nacht über der Prärie«, wuchs zu einem Zyklus von fünf Bänden.
Etwas einsam standen da bisher die ersten Bücher, die stark autobiografisch geprägt waren - »Zwei Freunde« und »Jan und Jutta«. Auch sie sollten zu Zyklen werden, und so fand sich im Nachlass »Bertholds neue Welt«, eine Erzählung über die Anfänge in Deutschland nach 1945, unter anderem mit Personen aus den frühen Romanen.
Protagonist aber ist ein durch die Kriegserlebnisse gereifter Zwölfjähriger, der sich zwischen Werwolfanhängern, einem ehemaligen SS-Mann und aus den Lagern gekommenen Antifaschisten zurechtfinden muss. Es herrschen Durcheinander, Unsicherheit, Denunziation, Misstrauen, Hunger. Die eine Behörde weiß nicht, was die andere tut. Karrieristen und Wendehälse versuchen sich in allen Ämtern. Der NKWD verhaftet nicht nur Schuldige. Ein neuer, anderer Krieg hat angefangen, denkt unser Held und möchte so gern alles nur als gut oder schlecht sehen.
Es sollte der Anfang eines großen Zyklus werden, leider ist der Text durch den Tod der Autorin 1979 nicht weiter gediehen. Die Sicht auf die weitere Entwicklung dieser neuen Welt wäre interessant gewesen, deuteten sich doch bereits in der Beschreibung der ersten Monate nach dem Krieg Spannungen verschiedenster Art an: Bürokratie, Amtsmissbrauch, Intrigen, die »Guten« sind nicht nur gut ... Kleine und große Kämpfe. Manches erinnert sogar ein bisschen an die Bärenbande des Dakota-Häuptlings, zumal Berthold Postgänge zwischen den Ämtern hoch zu Ross erledigt.
Liselotte Welskopf-Henrich: Bertholds neue Welt. Erzählung. 154 S., br., 12,90 €. Der Bergführer. Erzählung. 103 S., br., 9,90 €. Beide Palisander Verlag.
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