Mit Schneekanonen auf Pfützen
Umweltschützer warnen vor dem Anlegen neuer und immer größerer Skigebiete im Harz
Seilbahn, Pisten, Beschneiung - ein ganzes »Winterland« für alpine Skifahrt soll im Harz entstehen, genauer: am Winterberg bei Schierke (Sachsen-Anhalt). Das hat der Rat der Stadt Wernigerode, zu der Schierke gehört, beschlossen. Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos) wurde ermächtigt, entsprechende Verhandlungen mit dem Investor, der Winterberg Schierke GmbH, zu führen.
Und die Gesellschaft macht mächtig Druck. Bereits Ende nächsten Jahres soll die »Skiarena Harz« fertig sein. Im Dezember 2016 könnte die Seilbahn bereits zum Winterberg hinauf fahren. Dann sei alpines Skifahren nicht nur in den Alpen, sondern auch in Sachsen-Anhalt von November bis März möglich, hoffen die Beteiligten.
Insgesamt soll die Anlage zwischen 23 und 25 Millionen Euro kosten. Gaffert, selbst begeisterter Skiläufer und lange Zeit Funktionär im Deutschen Skiverband, sprach im Mitteldeutschen Rundfunk von 13 bis 14 Millionen Euro Privatinvestition durch die Winterberg Schierke GmbH und acht bis zehn Millionen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden.
Dass das geplante Areal am Rand des Nationalparks Harz Platz, Wasser und Strom braucht, wird auch von den Befürwortern nicht bestritten. Dieser große Eingriff in die Natur ist aus Sicht der Stadt aber eine Investition in den Tourismus und damit in die Zukunft.
Im Braunlage ist man schon weiter. Dort im Westharz wurden in den vergangenen Jahren rund zwölf Millionen Euro in den Ausbau des Skigebietes auf dem Wurmberg - mit 971 Metern die höchste Erhebung Niedersachsens - investiert. Zwei Milllionen Euro schoss das Land Niedersachsen zu, der größte Teil kam vom privaten Betreiber der Wurmberg-Seilbahn, Dirk Nüsse. Mit dem Geld wurden unter anderem neue Pisten und Lifte gebaut, Bäume für den Bau von Parkplätzen gefällt und 100 Schneekanonen zur Produktion von Kunstschnee aufgebaut.
Techniker legten am Hang einen künstlichen See an. Unterhalb davon installierte Pumpen können pro Stunde 500 Kubikmeter Wasser zu den Schneeerzeugern bringen. Daraus werden 1200 Kubikmeter Schnee - Voraussetzung ist allerdings, dass die Temperaturen unter minus drei Grad sinken. Und dann müssen die Anlagen rund 72 Stunden laufen, damit die neuen Pisten auf dem Wurmberg genügend Schnee für alpines Skifahren haben. Wie schon im letzten Winter, verzögert das warme Wetter auch in diesem Jahr den Betriebsbeginn am Wurmberg. Nach mehrmaligem Verschieben des Eröffnungstermins will Betreiber Nüsse seine Anlage nun frühestens Mitte Dezember anwerfen. Wirtschaftlich rechnet sich der Betrieb nur, wenn die Skikanonen mindestens 100 Tage pro Saison laufen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) im Westharz spricht mit Blick auf den Wurmberg von einer »Salami-Taktik«. »Es soll ein Antrag auf Verdopplung der Wasserentnahme aus dem Fluss Warme Bode vorliegen, nur um die Schneekanonen auf dem Wurmberg bedienen zu können«, sagt Sprecher Friedhart Knolle. Auch der Bau eines weiteren Großparkplatzes bei Braunlage mit der Folge der Vernichtung weiterer fünf Hektar gesunden Waldes stehe »auf der Agenda.«
Auch Landesgeschäftsführer Oliver Wendenkampf vom BUND in Sachsen-Anhalt kann über die Vorhaben in Schierke nur den Kopf schütteln. »Während in Paris und der ganzen Welt über Wege verhandelt wird, wie man den Irrweg der globalen Erwärmung beenden kann, wird im Harz munter und unter Ausblendung der Fakten an Wintersportgebieten geplant«, sagt er. Und dass, obwohl der Winter von Jahr zu Jahr immer milder ausfällt.
Wendekopf wirft Oberbürgermeister Gaffert zudem eine »intransparente Politik« vor. Die Öffentlichkeit werde »nicht ehrlich und mit allen Zusammenhängen« über die »Skiarena Harz« informiert. Die Stadt Wernigerode weist das zurück. Die Naturschutzverbände seien einbezogen und unter anderem zu einer Ortsbegehung eingeladen worden.
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