NPD-Verbot: Der braune Dreck in den Köpfen bleibt
Niedermeyer: Mögliches Scheitern würde Rechtsextremen massiv nutzen / Politikwissenschaftler Träger: Verfassungsgericht sieht offenbar hinreichende Grundlage /SPD-Linke Högl: Verbot kann nur erster Schritt sein
Update 17.25 Uhr: Lammert gegen Beteiligung des Bundestags an NPD-Verbotsverfahren
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat sich gegen eine Beteiligung des Parlaments an einem Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD ausgesprochen. Er könne dafür »keine Notwendigkeit« erkennen, da das vom Bundesverfassungsgericht beschlossene Verfahren davon unbeeinflusst bliebe, sagte Lammert der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« (FAZ) vom Mittwoch. Weitere Politiker der Regierungsparteien äußerten ihre Zuversicht darüber, dass ein Verbot der NPD dieses Mal vor Gericht Erfolg haben werde.
Lammert sagte der »FAZ«, die Verfassungsrichter würden ein Verbot der nationaldemokratischen Partei auch ohne Parlamentsbeteiligung sorgfältig prüfen. Die Einbindung des Bundestags in den vom Bundesrat gestellten Verbotsantrag könne zum jetzigen Zeitpunkt sogar missverstanden werden, ergänzte der CDU-Politiker. Die Bundesländer hatten das Verbot Ende 2013 beantragt, waren damals aber nicht vom Parlament unterstützt worden. Nachdem das Gericht sich nun dazu entschlossen hatte, das Verfahren gegen die NPD weiterzuführen, forderte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) eine Beteiligung der Verfassungsorgane Bundestag und Bundesregierung.
Update 13.10 Uhr: Braune Dreck bleibt in den Köpfen
Auch aus den Reihen der LINKEN kommt Zustimmung zum bald beginnenden NPD-Verbotsverfahren. »Ein Verbot der NPD würde den ekligen Zustand beenden, dass diese menschenverachtende Partei auch noch durch Steuergelder finanziert wird«, so Petra Pau, Mitglied im Vorstand der Linksfraktion. Allerdings schrenkte sie ein: »Es würde aber nichts an den verbreiteten rechtsextremen und rassistischen Einstellungen ändern.«
Von einer »guten Nachricht« sprach LINKEN-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn. »Das Verbotsverfahren ist ein deutliches Stopp-Zeichen für die Feinde der Demokratie, für gewalttätige, offen rassistische Organisationen«, so Höhn. In drastischeren Worten als seine Parteifreundin Pau räumte aber auch er ein: »Allerdings wäre bei einem erfolgreichen Abschluss des Verfahrens und damit dem Verbot der NPD der braune Dreck in den Köpfen nicht automatisch mit verboten.«
Insbesondere die Flüchtlingsfrage habe zuletzt gezeigt, wie weit rechtes und rechtsextremes Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft reiche und » wie unverhohlen offen rassistische, menschenverachtende Parolen im Netz und auf den Straßen vertreten werden.«
Update 10.20 Uhr: Knobloch fordert Verbote weiterer rechter Parteien
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, fordert neben der NPD weitere Verbotsverfahren gegen rechte Parteien. »Das Verbot ist überfällig. Und es muss das Verbot von Parteien wie «Die Rechte» und «Der III. Weg» nach sich ziehen«, sagte die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland am Montag zur Eröffnung des Hauptverfahrens in Sachen NPD-Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht. Dass sich nicht alle Verfassungsorgane hinter den Verbotsantrag gestellt hatten, empfindet Knobloch als Versäumnis. »Die NPD ist Nährboden für menschenverachtenden Rechtsextremismus und Trainingslager für radikale Kräfte.«
Parteienforscher: NPD-Verbot bleibt auf wackligen Füßen
Berlin. Auch mit der Eröffnung des Hauptverfahrens steht der NPD-Verbotsantrag nach Ansicht des Parteienforschers Oskar Niedermayer auf »relativ wackligen Füßen«. Niedermayer sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Die Partei hat gelernt, bestimmte Dinge zu vermeiden. Deshalb wird es nicht ganz einfach werden, das Verbot durchzubringen, obwohl es natürlich gerechtfertigt wäre«.
Wenn der Antrag erneut scheitere, »dann nützt es der Partei mehr, als es schadet«. Allerdings sei das Verfahren jetzt weiter als beim ersten Antrag, sagte Niedermayer. 2003 war das erste Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD wegen zahlreicher V-Leute des Verfassungsschutzes in Führungsgremien der Partei eingestellt worden.
Deutlich optimistischer äußerte sich der Politikwissenschaftler Hendrik Träger. Er sieht gute Gründe und Chancen für ein Verbot. »Wenn das Bundesverfassungsgericht im März 2016 drei Tage darüber verhandeln will, muss es zumindest erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der NPD haben«, sagte er am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Hätte man erhebliche Zweifel an einem Verbot gehabt, wäre es wohl nicht erst zum Hauptsacheverfahren gekommen. Offenkundig sei das Gericht überzeugt davon, dass nun tatsächlich alle V-Leute in den Reihen der NPD abgeschaltet sind.
Bei der NPD sei sowohl im Parteiprogramm als auch in Teilen der Anhängerschaft ein deutlicher Widerstand gegen die freiheitlich- demokratische Grundordnung spürbar. »Insofern würde das aus meiner Sicht für ein Verbot der NPD sprechen«, sagte der 33 Jahre alte Wissenschaftler, der an den Universitäten von Leipzig und Magdeburg arbeitet. Die Verbrechen der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« hätten dazu beigetragen, dass Bevölkerung, Medien und Politik für Rechtsextremismus ganz anders sensibilisiert seien als noch beim ersten Verbotsverfahren.
Träger erinnerte daran, dass die NPD zwar derzeit medial nicht mehr so präsent sei und sich in den letzten Jahren auch oft zerstritten gezeigt habe. »Es könnte sein, dass die NPD auf dem absteigenden Ast verboten würde«, sagte er. Dennoch habe sie es in den vergangenen Jahren erfolgreich geschafft, sich vielerorts eine scheinbar bürgerliche Fassade als »Partei der Kümmerer« zu verpassen und sich vor allem im ländlichen Raum zu verankern. Auf diese Weise habe die NPD Freiräume in der Gesellschaft eingenommen: »Sie bringt sich ins Gedächtnis der Bevölkerung, so nach dem Motto: Wir kümmern uns um euch, die anderen Parteien machen es ja nicht.«
Aus den Reihen der Politik kamen mehrheitlich positive Reaktionen auf den Beginn des Verfahrens: Gegenüber dem rbb-Inforadio erklärte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl, sie habe sich sehr über die Entscheidung gefreut. Das Verbotsverfahren habe mit der Annahme zur Hauptverhandlung eine ganz wichtige Hürde genommen. Högl sagte, die Bundesländer hätten ihren Antrag ausreichend begründet. »Ich gehe davon aus, dass alles vorgelegt wurde und dass keine V-Leute in den Führungsgremien der NPD sind.«
Die SPD-Politikerin warnte vor einem erneuten Scheitern eines NPD-Verbots. »Das wäre ein fatales Signal, weil es die NPD noch stärker machen würde. Sie wird schon jetzt stärker durch die Debatte über Flüchtlinge und Asyl.« Högl mahnte aber, dass ein NPD-Verbot nur ein Schritt von vielen sei. »Natürlich sind damit die Rechtsextremisten noch nicht verschwunden, man braucht die ganze Gesellschaft, um dagegen anzugehen.« Wachsamkeit sei nötig. Denn es werde sicher Nachfolge-Organisationen geben.
Die Innenminister von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, Holger Stahlknecht und Lorenz Caffier (beide CDU), begrüßen ebenfalls die Eröffnung des Verbotsverfahrens. Unabhängig vom Ausgang sei es ein »Sieg für den Rechtsstaat«, sagte Stahlknecht am Dienstag dem Radiosender MDR Info. Auch wenn es nicht zu einem Verbot käme, »hätten wir eine höchstrichterliche Entscheidung darüber, wie wir zukünftig mit solchen Parteien umzugehen haben, und das ist gut so für weitere Diskussionen und strategische Ausrichtungen«.
Caffier äußerte sich zuversichtlich. »Ich bin am Ende überzeugt, dass wir mit dem Material, das wir eingereicht haben, die Richter überzeugen können, ein Verbot auszusprechen«, sagte er dem Radiosender Bayern 2. Die Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte und die Übergriffe auf Kommunalpolitiker hätten immer wieder gezeigt, mit welchen Mitteln die NPD versucht, eine Atmosphäre der Angst zu schüren, sagte Caffier.
Von Bundestag und Bundesregierung erhoffe er sich nun weitere Unterstützung. Es sei wichtig, dass Informationen und Erkenntnisse, die möglicherweise beim Bund vorliegen, bei der Anhörung vor Gericht eingebracht werden. Das höchste deutsche Gericht wird Anfang März 2016 an drei Tagen über das vom Bundesrat beantragte NPD-Verbot verhandeln. Agenturen/nd
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