Was die weiße Zeldina mit Madiba verband

Zelda la Grange berichtet über einen ungewöhnlichen Freiheitskämpfer und Präsidenten: »Good Morning, Mr. Mandela«

  • Ulrich van der Heyden
  • Lesedauer: 3 Min.

Welcher Staatsmann geht, wenn er vor Gericht als Angeklagter erscheinen muss, bei seinem Eintreffen auf Richter und Staatsanwälte zu, begrüßt sie mit Handschlag und lädt sie einige Tage später, nachdem das Urteil zu seinen Ungunsten gefällt worden ist, zu einem Staatsbankett ein? Richtig, diese Größe besaß nur Nelson Mandela.

Als er 1994 die südafrikanische Präsidentschaft übernahm, die er übrigens fünf Jahre später aus eigenem Entschluss aufgab, wollte er nicht nur die menschenrechtsverachtende Apartheid aufheben, sondern strebte auch Versöhnung zwischen der »weißen« und der schwarzafrikanischen Bevölkerung an. Wie weit dies gelang, auch im persönlichen Zusammentreffen von Menschen unterschiedlichster Herkunft und sozialen Status, darüber gibt seine langjährige persönliche Assistentin in ihrem schon bald nach der Erstveröffentlichung in Südafrika in deutscher Sprache erschienenen Buch Auskunft.

In eine »weiße«, afrikaanssprachige Familie hineingeboren und, wie sie selbst sagt, rassistisch erzogen, gelangte Zelda la Grange eher zufällig in die Union Buildings in Pretoria, die Regierungsgebäude Südafrikas - zunächst als einfache Sekretärin just zu dem Zeitpunkt, als die ehemalige Befreiungsorganisation und nunmehrige Partei ANC die Regierungsgeschäfte nach gewonnener Wahl übernommen hatte und Staatschef Nelson Mandela von einer »Regenbogennation« träumte und seine Vision durch persönliches Vorbild voranbringen wollte. Die damals 23-jährige »Zeldina«, wie ihr Chef sie nannte, gehörte bald schon zum persönlichen Mitarbeiterstab von Mandela, der Angehörige aller in seinem Land vorhandenen ethnischen Bevölkerungsgruppen um sich haben wollte. Sie wurde die engste Vertraute von »Madiba«, wie sie ihn ihrerseits wie die meisten schwarzen Südafrikaner ehrfurchtsvoll nennt. Sie managte den Arbeitsalltag - Reisen, Repräsentationspflichten, Empfänge von Staats- und anderen prominenten Gästen, aber auch von »einfachen Menschen«, bis hin zur Organisation seiner Freizeit. Sie wurde zum Vorzeigemädchen des neuen Südafrika.

Die Autorin identifizierte sich mit den Visionen Mandelas so stark, dass sie noch heute in ihrem Buch oft von »wir«, statt von »ihm« schreibt. Dieses enge Verhältnis rief Kritiker und Neider auf den Plan, nicht zuletzt aus der Familie Mandela. Als das Staats- und Familienoberhaupt sein Amt abgegeben hatte und Zeldina weiterhin in seiner Nähe wissen wollte, nahmen die Anfeindungen zu. Solange er die Kraft hatte, hielt er seine schützende Hand über sie. Und auch sie sah sich, wie sie es formuliert, als »seine Beschützerin«, sein »Schutzschild«. Sie schreibt: »Die Leute verabscheuten mich dafür, dass ich Ordnung hielt und ihnen sagte, was sie um Madiba herum zu tun hatten.«

Wenngleich Zelda la Grange am Anfang ihres Buches betont, dass sie keine Interna an die Öffentlichkeit tragen will, kommt sie doch nicht umhin, auf Anfeindungen seitens einiger Kinder von Mandelas einzugehen. Auch anderweitig ist sie recht offen. Sie hält nicht mit Kritik am jetzigen Präsidenten Südafrikas, Jacob Zuma, und seiner Regierungscrew zurück, die Mandelas Aussöhnungspolitik torpedieren. Freunde macht sie sich mit solchen Bemerkungen in der neuen Elite Südafrikas nicht. Aber sie ist ehrlich. Das wird auf jeder Seite des Buches deutlich. Zelda la Grange findet klare Worte hinsichtlich der besorgniserregenden Entwicklung Südafrikas in den letzten Jahren, vor allem durch Korruption und steigende Kriminalität. Sie prangert soziale Verwerfungen und immer wieder aufflammende Gewaltakte gegen Ausländer an, die vornehmlich von frustrierten schwarzafrikanischen Jugendlichen begangen werden.

Nicht immer geglückt erscheint die Übersetzung ihrer Gefühle. Dennoch: Für das Verstehen der aktuellen Entwicklung sowie der jüngsten Geschichte Südafrikas ist dieses Buch sehr wichtig. Es ist vor allem ein Denkmal für das Vermächtnis des 2013 Verstorbenen an die Menschen: Habt trotz aller sozialen, ideologischen, ethnischen und sonstigen Unterschiede Respekt voreinander.

Zelda la Grange: Good Morning, Mr. Mandela. Nelson Mandelas persönliche Assistentin erzählt. btb Verlag, München 2015. 478 S., geb., 22,99 €.

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