»Enger an die aktuellen politischen Herausforderungen heran«
EU-Parlamenmtarier Helmut Scholz zur 37. Jahrestagung der PGA in San Salvador
Die PGA haben sich in den vergangenen Jahren vor allem für die Unterzeichnung und Ratifizierung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zur Ächtung von Menschenrechtsverbrechen sowie den internationalen Waffenhandel-Vertrag eingesetzt. Sind die PGA-Mitglieder vorwiegend links?
Die PGA haben sich in den vergangenen Jahren vor allem für die Unterzeichnung und Ratifizierung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zur Ächtung von Menschenrechtsverbrechen sowie den internationalen Waffenhandel-Vertrag eingesetzt. Sind die PGA-Mitglieder vorwiegend links?
A.: Nein, die Mehrzahl der PGA-Mitglieder kommt aus konservativen und liberalen Parteien. Linke sind in der Minderheit. Das spielt aber eigentlich weniger eine Rolle: Es sind alles Parlamentarier, die der Meinung sind, dass wir z.B. internationale Waffenkontrolle brauchen oder gemeinsam gegen die Straflosigkeit von Menschenrechts- oder Kriegsverbrechen agieren müssen.
Wir brauchen zudem – um die dritte Säule zu nennen – ein Zusammenwirken hinsichtlich einer Veränderung der Entwicklungspolitik und viertens insbesondere der Demokratisierung der Gesellschaften. Dabei stellen wir gerade die rechtliche und praktische Gleichberechtigung von Frauen, stärkeres Engagement für deren politische Ermächtigung oder die konsequente Anerkennung von LGTB- Rechten in den Mittelpunkt der Arbeit des Netzwerks. Alle vier Themenkomplexe sind auf die Verrechtlichung gesellschaftlicher und der internationalen Beziehungen orientiert und werden auch die Handlungsschwerpunkte der PGA für die nächsten zwei Jahre sein.
Ende vergangener Woche beriet das 1978 gegründete Gremium auf seiner 37. Jahrestagung in San Salvador. Für Helmut Scholz war es die letzte Sitzung als Vorsitzender der Gruppe von Europaabgeordneten in den PGA. Mit dem LINKE-Politiker sprach für »nd« Uwe Sattler.
Konkret: Was stand im Mittelpunkt der Beratungen in El Salvador?
Im Mittelpunkt stand die erneute Beschäftigung mit dem Waffenhandelsvertrag Arms Trade Treaty. Das ist zwar kein Abrüstungsabkommen, aber es schafft Transparenz im internationalen Waffenhandel. Wir Parlamentarier haben die Regierungen dazu aufgerufen, diesen Vertrag zu unterzeichnen und werben dafür in unseren Herkunftsstaaten. Und wir wirken in den nationalen wie regionalen Parlamenten für dessen Ratifizierung - ganz praktisch. Als zweitem wichtigen Thema wandte sich das PGA Jahrestreffen diesmal – verknüpft mit dem Waffenhandelsvertrag – erstmals der Beschäftigung mit dem Anspruch der Universalität zu, einer notwendigen Vertiefung der UN-Konvention zu biologischen und anderen Giftstoffwaffen und vor allem ihrer konsequenten Umsetzung durch die Staatsparteien.
Das klingt sehr deklaratorisch. Was können die Parlamentarier konkret bewegen?
Die PGA ist im Unterschied zur Interparlamentarischen Union ein Netzwerk von über 1200 Parlamentariern mit individueller Mitgliedschaft. Das heißt, wir haben dort aktive Parlamentarier, die in den jeweiligen Gremien, Ausschüssen, in den Plenarberatungen der Parlamente durch eigene Position nachdrücklich darauf drängen, entsprechend ihrer Einsicht die Zielstellungen insbesondere hinsichtlich Rüstungsbegrenzung und Abrüstung oder eben auch der beiden anderen Schwerpunkte umzusetzen. Es ist nicht zuletzt der PGA zu verdanken, dass die Ratifizierung internationaler Abkommen durch eine ganze Reihe von Parlamenten erfolgreich gemeistert wurde. Und dass weitere Staaten diesen wichtigen Abkommen beitreten. So ist es uns gelungen, dass sich noch in diesem Jahr zwei weitere Staaten dem Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofes, und vor allen Dingen auch dem Zusatzprotokoll über den Aggressionskrieg als menschenrechtliches Verbrechen, anschließen, darunter El Salvador, dass auch noch den Waffenhandel-Vertrag ratifizierte.
Angesichts einer Mordrate von täglich 26 Getöteten, vornehmlich durch Kleinwaffen, ein wichtiger Schritt. Also ganz klar: Die PGA können etwas bewirken, aber es braucht dazu die Verständigung über Ländergrenzen hinweg. Dass wir die großen »Elefanten« – USA, Russische Föderation, China – bisher nicht bewegen konnten, das Rom-Statut bzw. das Kampala Protokoll international bindenden Abkommen zu unterzeichnen bzw. zu ratifizieren, bleibt allerdings mehr als ein Wermutstropfen, nämlich Arbeitsaufgabe auch für die PGA.
Sind Abgeordnete aus diesen Staaten bei der PGA vertreten?
Nein. Ohnehin kommt das Gros der Mitgliedschaft eher aus Ländern der so genannten Dritten Welt. Aus den EU-Staaten wünschte ich mir ein stärkeres Engagement von Abgeordneten. Das betrifft insbesondere Frankreich und Großbritannien, aber durchaus auch Deutschland.
Wo sehen Sie denn die Entwicklungschancen der PGA? Was wollen sie in den nächsten Jahren erreichen?
Eine Hauptaufgabe bleibt die Durchsetzung des Rom-Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes, der Kampf gegen Straffreiheit für begangene Kriegsverbrechen oder andere Menschenrechtsverbrechen. Zweitens müssen wir eine engere Verbindung dieser Themen mit aktuellen polititischen Herausforderungen herstellen – d.h. beispielsweise öffentlich und in der politischen Konsequenz den Zusammenhang von Waffenhandel und Terror und Terrorismus aufzeigen, die Verantwortung der Staaten für die Militarisierung auch von Gesellschaften und andererseits des Ausblenden des Zusammenhangs von Waffen- und Rüstungsproduktion und militärischen Konflikten national wie international nicht zulassen.
Das San Salvador-Treffen hat auch die Frage aufgeworfen, wie wir überhaupt Terrorismus und die leider wachsende Verfügbarkeit von militärischen Gütern in den Händen terroristischer Gruppierungen heute angesichts der wachsenden Zahl »zerfallender« bzw. instabiler Staaten in Bezug auf die Durchsetzung internationaler Abkommen durch deren Staatsparteien begegnen müssen. Brasilianische Kollegen haben in San Salvador dabei in Weiterung dieser notwendigen politischen Verständigung ausdrücklich auf die Unterscheidung berechtigter sozialer Kämpfe vom Terrorismus gedrängt. Gerade konservativste rechtspopulistische Kräfte verunglimpfen diese Kämpfe ja häufig als Terror. Dagegen sind Kriegshandlungen gegen die Zivilbevölkerung unserer Meinung nach Terrorismus. Das muss Eingang in internationale Abkommen finden, deren Ratifizierung und Umsetzung in einem breiteren gesellschaftlichen Kontext gehoben werden muss.
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