Ausblicke, Rückblicke

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Neigt sich das Jahr dem Ende zu, beginnt die Zeit der Ausblicke aufs nächste. Weil die Welt auch weiter um Krisen kreist, dürften sie wenig Erbauliches erbringen. Immerhin eine Aussicht stimmt hoffnungsfroh: Klara Blum verlässt den badischen »Tatort«. Sie war die ödeste Ermittlerin in knapp 1000 Fällen. So gesehen darf man die Notbremse der ARD als humanitären Akt bezeichnen, gepaart mit einem Neuanfang: Ersetzt werden Eva Mattes und der heillos unterforderte Sebastian Bezzel durch Hans-Jochen Wagner (der dafür sein ZDF-Engagement an der Seite von »Kommissarin Heller« beenden muss) und Eva Löbau (was nicht nur dank Harald Schmidt als Kriminaloberrat etwas Lakonie ins badische Jammertal bringen könnte). Lustig, gar ulkig will das Trio aber nicht werden, wenn es, wie am Dienstag verkündet, die Schnarchnasen vom Bodensee ablöst.

Tiefgründig bis brüllend komisch hingegen ist das, was eine der großen Unbekannten des hiesigen Humors aufschreibt. Nach vier Staffeln »Tatortreiniger« hat Mizzi Meyer ihr geheimnisumwittertes Pseudonym gelüftet. Sie heißt im wahren Leben Ingrid Lausund und war mal als Hausautorin und Regisseurin des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg tätig, womit bewiesen wäre: E und U schließen sich auch an der Autorenquelle keineswegs aus. Das erweist sich auch im NDR, wo am Donnerstag um 22 Uhr die erste dreier Doppelfolgen mit Bjarne Mädel als hemdsärmelig liebenswerte Putzkraft »Schotty« läuft, der gewissermaßen den klebrigen Rest vom Krimibrei besserer Sendeplätze beseitigt. Sendeplätze, die meist von Markus Lanz besetzt sind, der zwei Stunden zuvor abermals emotional übersteuern darf, wenn er die »Menschen 2015« in den ZDF-Schmalztiegel seiner klebrigen Anteilnahme tunkt.

Wer dort - parallel zum furiosen Staffelfinale des heillos unterfrequentierten Serienereignisses von »Deutschland 83« bei RTL - zwingend landen sollte (und wohl auch wird), ist Stefan Raab. Der beendet tags zuvor nach 2243 Folgen »TV total« und bittet Samstag letztmalig, ihn zu schlagen, was das Feuilleton in Abertausenden von Verrissen getan hat, um ihm nun eifrig nachzutrauern - dem kreativsten Kopf des Entertainments, ein »altruistischer Egoist«, wie ihn die »Süddeutsche Zeitung« preist.

Nach ihm herrscht wieder jene Leere, die das stete Quizzen hochdifferenter Alterskohorten, Nationalitäten, Intelligenzstufen bei Jauchkernerhirschhausen nur vergrößert. Es sei denn, dafür sorgt der raffgierige König Fußball, dessen DFB-Pokal ab Dienstag mit Hilfe ergebener ARD-Vasallen die Konten von Bayern bis Dortmund füllt.

Da schaltet man also besser zu Arte, um sich Mittwoch (20.15 Uhr) am Remake des Weihnachtsmehrteilers »Die schwarzen Brüder«, nun ja: zu erfreuen. Das realitätsgetreue Sozialdrama um Tessiner Familien, die ihre Söhne im 19. Jahrhundert aus materieller Not als Kaminkehrer nach Mailand verkaufen mussten, ist nicht nur toll kostümiert und zurückhaltend inszeniert; es glänzt auch durch Moritz Bleibtreu als hinreißend skrupellosen Geschäftsmann.

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