Polen: Rechte Regierung stürzt in Umfragen ab

Regierende PiS kommt in Umfrage nur noch auf 27 Prozent / Bevölkerung protestiert gegen Einschränkung der Bürgerrechte / Vorhaben der Nationalisten besitzten laut EU-Präsident Schulz »Staatsstreichcharakter«

  • Lesedauer: 3 Min.

Warschau. Der Streit um die Umbesetzung des polnischen Verfassungsgerichts schadet offenbar der neuen Regierung in Warschau: Laut einer am Dienstag in der Tageszeitung »Gazeta Wyborcza« veröffentlichten Meinungsumfrage stürzten die Zustimmungswerte für die regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in den vergangenen beiden Wochen drastisch ab. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) erneuerte indes seine Kritik an der Führung in Warschau.

Laut der Umfrage fiel die PiS von 42 Prozent auf nur noch 27 Prozent. Im selben Zeitraum stieg die Zustimmung zu der neuen liberalen Partei Nowoczesna von Ryszard Petru von zehn auf 24 Prozent. Die bei der Wahl im Oktober abgestrafte liberale Bürgerplattform (PO), die zuvor acht Jahre lang regiert hatte, konnte von der Unzufriedenheit mit der Regierung dagegen nicht profitieren: Ihre Zustimmungswerte rutschten binnen zwei Wochen sogar von 17 Prozent auf 16 Prozent ab.

Die PiS hatte bei der Parlamentswahl die absolute Mehrheit für sich verbuchen können. Die aktuelle Umfrage wurde vor den Großdemonstrationen vom Wochenende in Warschau gemacht, bei denen am Samstag Regierungsgegner und am Sonntag Unterstützer der PiS-Regierung auf die Straße gegangen waren. Befragt wurden etwa tausend Bürger am Telefon.

Die PiS steht in der Kritik, mit der Ernennung wohlgesonnener Richter am Verfassungsgericht rechtsstaatliche Prinzipien auszuhöhlen. Auch in anderen Bereichen, etwa den Medien, will die Regierung ihre Kontrolle ausbauen.

Kritik an dem Vorgehen kam erneut auch aus dem Ausland, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sagte am Montag im Deutschlandfunk, was sich in Polen abspiele, habe »Staatsstreichcharakter«. Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski wies die Kritik zurück. In einem Interview mit der »Berliner Zeitung« vom Dienstag sagte er, Schulz' Worte seien »ungerechtfertigt und dadurch unverantwortlich«. In Polen gebe es »eine normale politische Debatte über institutionelle Lösungen«. Es gebe die Dreiteilung der Gewalten, »aber das Verfassungsgericht ist kein Gericht, sondern ein politischer Körper«.

Die Richter beim Verfassungsgericht würden nach politischen Kriterien gewählt, sagte Waszczykowski weiter. Er warf der PO-geführten Vorgängerregierung vor, vor ihrer erwarteten Wahlniederlage noch »zu viele Richter« gewählt zu haben, um das Verfassungsgericht »als Instrument im Krieg« gegen die neue Regierung und den PiS-nahen Staatspräsidenten Andrzej Duda zu nutzen.

Schulz erneuerte indes seine Kritik an der PiS-Regierung. Es sei »sehr überraschend, dass man wenige Tage nach dem Amtsantritt der Regierung derartige Maßnahmen gegen die höchste juristische Instanz ergreift«, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe »tausende und abertausende Polen, die diese Bedenken teilen«, fügte Schulz mit Blick auf die Großdemonstrationen vom Wochenende hinzu.

Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo hatte eine Entschuldigung von Schulz gefordert. Dieser sagte jedoch, es gebe »eine lange Liste von Fragen und Bedenken«. Zudem warnte Schulz vor einer »Renationalisierung« der Politik in den EU-Mitgliedstaaten. Dazu gebe es derzeit sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite des politischen Spektrums »eine Tendenz«, sagte er. AFP/nd

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