Koalition schützt Lobbyisten

Rot-Schwarz weist Einflussnahme auf Parteien nicht wirksam in die Schranken

Lobbycontrol fordert mehr als »Trippelschritte«: ein verpflichtendes Lobbyregister und Transparenz bei Parteifinanzierung.

Timo Lange mag Ampeln. Der Autor des neuen Reports von Lobbycontrol macht damit deutlich, wie groß der Handlungsbedarf in Sachen Lobbyregulierung ist. Standen 2013 noch vier von fünf Feldern auf Rot - Istzustand mangelhaft, also viel zu tun - sind es zwei Jahre später nur noch zwei. Alle anderen Bereiche in seiner Halbzeitbilanz der Koalition zur Regulierung von politischer Einflussnahme stehen auf Gelb. »Wir stellen einen deutlichen Unterschied zur letzten Koalition aus Union und FDP fest«, lobt Lange. Die große Koalition komme immerhin in »Trippelschritten« voran.

Zufrieden ist seine Organisation Lobbycontrol jedoch bei Weitem nicht. »Unterm Strich können wir der Regierung kein gutes Zeugnis ausstellen«, sagte die Politische Geschäftsführerin Imke Dierßen bei der Vorstellung des Lobbyreports 2015 am Dienstag in Berlin. Zwar gebe es Fortschritte, sie blieben aber hinter den Erwartungen zurück. Sämtliche Reformen kamen erst zustande, nachdem fragwürdige Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft, sechsstellige Geldflüsse im Wahlkampf oder »Nebeneinkünfte« bekannt wurden, die das Abgeordnetensalär um eine Vielfaches überstiegen. Und selbst ins Gesetz gegossen, spürt man noch den Unwillen: Alle Regelungen lassen Schlupflöcher und vieles im Dunkeln, so dass Lobbykritiker an der Wirksamkeit zweifeln.

»Vertane Chance« - Opposition kritisiert Reform der Parteienfinanzierung

Berlin. Die Opposition hat Pläne von Union und SPD für eine Reform der Parteienfinanzierung als völlig ungenügend kritisiert. »Das ist eine vertane Chance«, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann.

Der Entwurf für eine Änderung des Parteiengesetzes soll am Donnerstag im Plenum abschließend beraten werden. Geplant ist unter anderem eine Erhöhung der Zuwendungen für Parteien. Sie sollen für jede für sie abgegebene Stimme pro Jahr statt 70 Cent künftig 83 Cent erhalten, wobei der Betrag für die ersten vier Millionen gültigen Stimmen von 85 Cent auf einen Euro angehoben werden soll.

Künftig sollen die Parteien zudem die Mitgliedsbeiträge veröffentlichen.
Geplant ist auch eine Änderung, die vor allem zu Lasten der AfD gehen würde. Die Regeln, nach denen die Mittel an die Einnahmen einer Partei gekoppelt sind, sollen sich ändern. Das würde die staatlichen Beträge an die AfD vermindern, insofern sie an die Einnahmen eines AfD-eigenen Goldhandels gekoppelt sind. Die Partei betreibt seit 2014 einen Goldhandel – und zwar nicht, um damit Gewinn zu machen, sondern um dadurch mehr Geld aus der Parteienfinanzierung zu bekommen.
Die Parlamentsgeschäftsführerin der LINKEN, Petra Sitte, mahnte mehr Transparenz und eine »größere Unabhängigkeit von finanzstarken Geldgebern« an. Dies leiste der vorliegende Entwurf nicht ausreichend. »Spenden von Unternehmen und Unternehmensverbänden wollen wir Linke ausschließen, die von Einzelpersonen begrenzen«, so Sitte. dpa/nd

So wurden zwar Maßnahmen gegen Abgeordnetenbestechung und eine gesetzliche Karenzzeit für den Wechsel in die Wirtschaft eingeführt. »Beide Gesetze weisen jedoch deutliche Schwächen auf«, bemängelt Lobbyexperte Lange. Die Zwangspause von maximal 18 Monaten hält er für zu kurz. »In einem Jahr sind die Netzwerke nicht ausreichend abgekühlt.« Immer wieder sorgen prominente Seitenwechsel für Empörung: ein Bundeskanzler, der Berater des russischen Energiekonzerns Gasprom wird, ein Gesundheitsminister, der zu einer privaten Krankenversicherung wechselt. Lange fordert drei Jahre Abstand und kritisiert fehlende Sanktionen bei Verstößen. In der kommenden Reform der Parteienfinanzierung (siehe Kasten) sieht er keinerlei Verbesserung. Schon jetzt sei absehbar, dass sich Konzerne vom Spenden aufs Sponsoring verlegen werden und damit die Pflicht zur Offenlegung aushebeln. Der Großspender BMW hat das bereits angekündigt.

Insgesamt vermisst Lobbycontrol ein ernsthaftes Bemühen seitens der Koalition, Lobbyismus konsequent Schranken zu setzten. So zeige sie auch kein Interesse, die Mängel bei der Offenlegung von Nebeneinkünften, wie sie von der Vorgängerregierung beschlossen wurde, zu beheben. Transparenz allein reicht aus Sicht der Transparenzbefürworter nicht immer. Dass Abgeordnete überhaupt zugleich als Lobbyisten tätig sein dürfen, sehen sie kritisch. Die Organisation erinnert zum Beispiel an den stellvertretenden Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Rudolf Henke (CDU), der mehreren Nebentätigkeiten im Gesundheitssektor nachgeht und zudem Vorsitzender des Ärzteverbands Marburger Bund ist. »Interessenskonflikte sind hier nicht auszuschließen«, betont Lange. Ebenso wenig wie bei Stephan Harbarth, dessen Kanzlei den Volkswagenkonzern im Abgasskandal vertritt und der im Rechts- und Verbraucherausschuss als Obmann der Unionsfraktion über Konsequenzen aus der VW-Affäre berät.

Den Lobbyismus in den Griff zu kriegen ist eine »Zukunftsaufgabe«, argumentiert die Organisation. Denn verdeckte Einflussnahme oder auch nur die Vermutung einer Beeinflussung sei eine Gefahr für die Demokratie. Bei den Bürgern verstärkt sich dadurch das Gefühl, dass nicht sie mit ihrer Wahl die Politik bestimmen, sondern finanzstarke Konzerne und Interessengruppen. »Das untergräbt das Vertrauen«, warnt Lange.

Vor allem die Union blockiert mehr Transparenz. Die Gründe scheinen immer dann auf, wenn sie zu Offenlegungen gezwungen wird. Als sie nach einem Gerichtsbeschluss die Liste der von ihr ausgestellten Hausausweise für Lobbyisten veröffentlichen musste, zeigte sich nämlich, dass sie mit Abstand am meisten vergeben hatte, darunter an viele Lobbyagenturen. Zum Teil lehnen Unionspolitiker Reformen aber auch explizit mit dem Verweis ab, das würde die Wirtschaft belasten.

Dabei wünscht sich auch die große Mehrheit ihrer Anhänger mehr Transparenz, hat eine Umfrage von Emnid im Auftrag von Lobbycontrol ergeben. Selbst ein verpflichtendes Lobbyregister für Verbände, Unternehmen und Kanzleien wird von ihnen befürwortet. Es würde deutlich machen, wer in wessen Auftrag und mit welchem Budget versucht, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Bisher gebe es nur eine mangelhafte Liste auf freiwilliger Basis, kritisiert Lobbycontrol. Seit Jahren wirbt die Organisation für ein solches Verzeichnis. Die SPD ist grundsätzlich dafür, erst dieser Tage hat der Bundesparteitag die Forderung noch einmal bekräftigt. Auch der Europarat mahnt hier Verbesserungen an. Doch bislang bewegt sich in diesem Bereich gar nichts. Einige Personen werden die rote Ampel sicher honorieren.

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