Bericht: Zahl der aus der Türkei einreisenden Flüchtlinge sinkt
Vor dem EU-Gipfel: Türkei hindert immer mehr Geflüchtete an Weiterreise / Pro Asyl: EU-Pläne »hebeln Menschenrechte aus« / Dietmar Bartsch (LINKE): EU-Ländern notfalls Mittel kürzen
Berlin. Die Zahl der Flüchtlinge, die über die Türkei in die Europäische Union (EU) einreisen, ist seit Anfang Dezember offenbar gesunken. Wie die »Bild«-Zeitung unter Berufung auf interne Zahlen der EU-Kommission berichtet, kamen seit Monatsbeginn 52.234 Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland, im Schnitt 3.731 pro Tag. Seit Anfang dieser Woche seien es weniger als 2.000. Im September und Oktober waren es laut »Bild« dem EU-Kommissions-Papier zufolge noch 6.970 Zuwanderer pro Tag.
Die türkische Grenz- und Küstenwache hat nach eigenen Angaben vom 1. bis 15. Dezember 4.632 Flüchtlinge am Verlassen des Landes gehindert, wie die Zeitung weiter berichtet. Seit Jahresbeginn seien es 85.842 gewesen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International berichtete, dass hunderte Flüchtlinge in der Türkei festgenommen und in Haftzentren im Süden und Osten des Landes gebracht worden sind. Dort stünden sie vor einer »unmenschlichen Wahl«: Entweder sie bleiben in Haft oder sie kehren in ihre Heimatländer Syrien und Irak zurück, wo ihnen Verfolgung, Folter und Tod drohen, so Wiebke Judith, Asylexpertin bei Amnesty in Deutschland.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wolle die Zahlen am Donnerstag bei einem Treffen von Regierungschefs der von der Flüchtlingsbewgungen besonders betroffenen EU-Staaten mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu in Brüssel präsentieren.
Beim anschließenden EU-Gipfel wollen die Staats- und Regierungschefs über die Verstärkung des Grenzschutzes und die Verteilung von Flüchtlingen in Europa beraten. Die Pläne der EU-Kommission zum Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex zielten in die Richtung, Menschenrechte auszuhebeln, erklärte die Hilfsorganisation in Frankfurt am Main. Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt nannte es inakzeptabel, Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen zurückzuweisen oder in Staaten wie etwa Afghanistan oder den Iran abzuschieben.
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch hat gefordert, europäischen Staaten, die sich nicht an einer gerechten Verteilung von Flüchtlingen beteiligen, notfalls die EU-Gelder zu streichen. »Wir dürfen nicht akzeptieren, dass es Länder in Europa gibt, die einfach mal sagen, wir nehmen keine Muslime. Das ist inakzeptabel«, sagte Bartsch am Donnerstag im ARD-»Morgenmagazin« mit Blick auf Polen und andere osteuropäische Staaten. Damit schloss er sich unter anderem dem österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann an, der in der Zeitung »Die Welt« Ähnliches forderte. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.