Machismo auf japanisch
Regierung scheitert bei der Frauenquote und kürzt sie auf »realistische« sieben Prozent bis 2020
Takako Zenba ist ein Paradebeispiel für die Probleme von berufstätigen Japanerinnen. Als erste Frau moderierte die 40-Jährige seit ein paar Jahren die Hauptnachrichtensendung des Privatsenders TBS. Im Sommer kündigte Zenba vor laufenden Kameras an, dass sie eine Babypause einlegen wird und sich auf ihre Rückkehr freut. Medienberichten zufolge teilte ihr der Sender jedoch kurz darauf mit, dass er ihren Vertrag ab März aufheben will. Ein typischer Fall von »Mata-Hara« (Mutterschaftsschikane), kommentiert die Boulevardpresse.
Dieses Verhalten von Arbeitgebern ist in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt weit verbreitet. Laut einer Umfrage, die das Gesundheitsministerium im Oktober durchgeführt hatte, machte knapp die Hälfte aller nicht fest angestellten Mütter Erfahrung mit der Mütter-Schikane. Jede fünfte Frau gab an, dass ihr nach Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft gekündigt wurde. »Das bereitet uns Unannehmlichkeiten!« »Wie wäre es, wenn sie kündigen?« - Sprüche wie diese mussten sich 47 Prozent aller Befragten von ihren Vorgesetzten und Kollegen gefallen lassen. Einige Frauen klagten auch über Gehaltskürzungen und Degradierungen.
Laut offiziellen Statistiken gehen nur 64 Prozent von Japans Frauen einer Arbeit nach. Damit bildet die asiatische Wirtschaftsmacht seit Jahren eines der Schlusslichter in der internationalen Rangliste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Das hat zum einen mit dem tief in der Gesellschaft verwurzelten traditionellen Rollenverständnis zu tun, gemäß dem Frauen sich um Haus und Kinder kümmern, während die Männer Geld verdienen. Experten machen zum anderen fehlende Kinderbetreuung und mangelnde Karriereunterstützung für Frauen dafür verantwortlich.
Um die Folgen des demografischen Wandels in der am schnellsten alternden Gesellschaft der Welt abzufedern und mehr Frauen zur Rückkehr in die Arbeitswelt zu motivieren, hatte sich die Regierung bereits 2003 das Ziel gesetzt, bis 2020 mindestens 30 Prozent aller Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. Auch Premier Shinzo Abe hatte immer wieder betont, dass die Frauenförderung ein unentbehrlicher Bestandteil seines langfristigen Wachstumsplans sei. Mit der Schaffung von zusätzlichen Betreuungsmöglichkeiten, einem neuen Gesetz zur Frauenförderung und dem Versprechen, Japan zu einem Land zu machen, in dem auch Frauen »glänzen« können, will Abe Japans Mütter ins Arbeitsleben zurückholen. Doch fünf Jahre vor Ablauf der Frist für das 30-Prozent-Ziel erweist sich das Scheitern der Bemühungen seit 2003. Zwar versuchen Ministeriumssprecher, die Korrektur der Ziele herunterzuspielen. Doch die Entwicklung der Frauenquote in Top-Positionen der Ministerien der Zentralregierung zeigt, wie klein die Fortschritte sind. Wie die Zeitung »Mainichi« berichtet, ist der Anteil der weiblichen Abteilungsleiter von durchschnittlich 1,6 im Jahr 2003 auf 3,5 Prozent in diesem Jahr gestiegen.
Im September musste die Regierung bekannt geben, dass kein einziges Unternehmen Subventionen beantragte, die helfen sollten, Frauen in Führungspositionen zu bekommen. So wurden nun sieben Prozent als »realistisches« Ziel für die Frauenquote bis 2020 ausgegeben.
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