PSOE wird konservative PP nicht unterstützen
Parteichef Sánchez: »Spanien will nach links« / Konservative Minderheitsregierung und Große Koalition damit unwahrscheinlich / Tsipras: »Sieg über Austeritätspolitik« / Podmos: »Heute wurde ein neues Spanien geboren«
Update 16.45 Uhr: Podemos-Chef nennt Verfassungsreform »unerlässlich«
Nach der Parlamentswahl in Spanien hat der Chef der Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias, die Dominanz Deutschlands in der EU kritisiert. »Unsere Botschaft an Europa ist klar«, sagte Iglesias am Montag vor ausländischen Journalisten in Madrid. Spanien werde nicht länger ein Anhängsel Deutschlands sein. Der 37-Jährige bezeichnete zudem eine Verfassungsreform als »unerlässlich«, in der das Recht auf eine Wohnung, auf Gesundheit und auf Bildung festgeschrieben werden müsse. Die linke Podemos war bei der Wahl am Sonntag aus dem Stand mit 20,6 Prozent drittstärkste Kraft geworden und hatte 69 Mandate im neuen Parlament geholt.
Update 14.55 Uhr: Bundesregierung weiß nicht, wem sie gratulieren soll
Die Bundesregierung zeigte sich hinsichtlich des Wahlergebnisses zurückhaltend. Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz sagte am Montag, die Bundesregierung könne der spanischen Bevölkerung dazu gratulieren, dass sie sich an der Wahl »so stark beteiligt hat«. Ansonsten sehe sie »noch nicht so genau«, wem in dieser Situation gratuliert werden könne. Es gelte die Regel, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratuliere, wenn die »Regierungsbildung abgeschlossen« sei.
Update 14.35 Uhr: Podemos will PP-Regierung »in keinem Fall« zulassen
Nach der Parlamentswahl in Spanien hat nach der sozialdemokratischen PSOE auch die linke Podemos auf einen politischen Wechsel gepocht. Beide Parteien kündigten am Montag in Madrid an, dass sie gegen eine Fortsetzung der konservativen Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy von der Partido Popular stimmen wollen. Podemos-Chef Pablo Iglesias sagte, seine Partei werde »in keinem Fall eine PP-Regierung zulassen«. Zuvor hatte bereits César Luena von der PSOE-Parteiführung erklärt, man werde »gegen die PP und gegen Rajoy stimmen«. Rajoy hat keine eigene Mehrheit um weiterzuregieren. Die viertstärkste politische Kraft, die liberale Bewegung Ciudadanos, hatte bereits angekündigt, sie werde sich bei einer Abstimmung über eine Fortsetzung der PP-Regierung enthalten. Die PP kam bei der Wahl vom Sonntag nur noch auf 28,7 Prozent der Stimmen, sie rutschte damit auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1993, die Zahl der Mandate nahm um 63 auf 123 ab. Die absolute Mehrheit liegt bei 176 der 350 Mandate.
Update 14.15 Uhr: Zelik: »Instabilität ist nicht das schlechteste Szenario«
Der Spanien-Experte Raul Zelik kommt in seiner ersten Analyse der Wahlen in Spanien unter anderem zum der Schlussfolgerung, dass nach dem unklaren Ergebnis »die Wirtschaftsverbände, Medienkonzerne und europäischen Regierungen PP und PSOE mit Sicherheit zur Bildung einer Großen Koalition drängen« werden. »Für die spanische Sozialdemokratie, die den Zerfall der griechischen PASOK vor Augen hat, birgt dieser Weg allerdings unkalkulierbare Gefahren. Deswegen ist durchaus wahrscheinlich, dass schon in wenigen Monaten erneut gewählt werden muss. Aus Perspektive jener Linken, die für einen Bruch mit dem 1978 etablierten Staatspakt plädieren, wäre eine Phase politischer Instabilität nicht das schlechteste Szenario. In der jetzigen Situation kann sich niemand Illusionen hinsichtlich einer Mitte-Links-Regierung machen, was eine Reaktivierung der sozialen Bewegungen erleichtern könnte. Völlig offen ist nach wie vor auch die weitere Entwicklung des katalanischen Konflikts. Falls sich die Unabhängigkeitsparteien Junts pel Sí und CUP nächste Woche doch noch auf die Bildung einer Regierung verständigen sollten, könnten die Gründung einer katalanischen Republik und die Debatte einer neuen Verfassung dort Form annehmen, während in Madrid keine handlungsfähige Regierung im Amt ist. Das Machtgefüge würde dadurch so sehr durcheinander gewirbelt, dass möglicherweise auch in anderen Regionen des spanischen Staates grundsätzlichere Veränderungen denkbar würden.« Der komplette Text ist hier zu lesen.
Update 13.45 Uhr: PSOE-Führung bleibt beim Nein zu PP-Regierung
Die Führung der sozialdemokratischen PSOE hat sich am Montag gegen eine rechnerisch mögliche Unterstützung der Fortsetzung der konservativen Regierung ausgesprochen. Man werde gegen den bisherigen Premier Mariano Rajoy und gegen eine Regierung der Partido Popular votieren, kündigte ein Sprecher der Sozialdemokraten an. Eine Minderheitsregierung der PP mit Duldung der PSOE erscheint damit ebenso unwahrscheinlich wie eine Große Koalition. Mit Blick auf das historisch schwache Abschneiden der PSOE bei den Wahlen am Sonntag sagte der Sprecher, es werde im kommenden Jahr eine Reihe von Parteikonferenzen geben, in denen es auch um die Frage gehen wird, ob der amtierende Vorsitzende Pedro Sánchez das Amt weiterführen soll.
Update 12.20 Uhr: Und es melden sich mal wieder »die Märkte«
Nach den Wahlen in Spanien, bei denen dem etablierten Parteiensystem schwere Verluste beschert wurden und mit dem Erfolg der linken Podemos eine »einfache« Regierungsbildung auf Grundlage der alten Herrschaftsverhältnisse nahezu unmöglich scheint, haben sich nun auch gleich »die Märkte« zu Wort gemeldet – mit den üblichen Warnungen und Reaktionen. Die Deutsche presse-Agentur titelt: »Anleger reagieren verunsichert auf Parlamentswahl in Spanien«.
»Das Wahlergebnis führt zu einem beispiellosen Grad an Unsicherheit«, sagte Marco Protopapa, Analyst bei der Bank JP Morgan Chase. An der spanischen Börse gab es Verluste - der Aktienindex Ibex35 fiel zeitweise um 2,80 Prozent auf 9446,60 Punkte. Auch die Renditen spanischer Staatspapiere legten zu, gleiches gilt für andere Länder, in denen die in Berlin orchestrierte Krisenpolitik umstritten ist, etwa in Italien und Portugal. Für die Staaten wird es damit tendenziell teurer, neue Kredite aufzunehmen.
Update 9.15 Uhr: Tsipras erfreut über »Sieg über Austeritätspolitik«
Der griechische Ministerpräsident und SYRIZA-Vorsizuende Alexis Tsipras hat das Ergebnis der spanischen Parlamentswahlen als Niederlage für die umstrittene Kürzungspolitik in dem Land begrüßt. »Die Austerität ist in Spanien politisch besiegt worden«, erklärte er am Montagmorgen. Kräfte wie die Linkspartei Podemos seien »dynamisch aufgetreten«, damit seien die Aussichten für eine »progressive Mehrheit« offen. »Unser Kampf wird nun gerechtfertigt. Europa ändert sich«, sagte Tsipras.
PSOE-Chef Sánchez: »Spanien will nach links«
Berlin. Bei der Parlamentswahl in Spanien haben die Wähler nach Meinung des Vorsitzenden der sozialdemokratischen PSOE Pedro Sánchez ihren »Wunsch nach einem Wechsel« zum Ausdruck gebracht. »Spanien will nach links und will einen Wechsel«, sagte der bisherige Oppositionsführer am späten Sonntagabend in Madrid. Bei der Abstimmung fuhr die PSOE ein historisch schlechtes Wahlergebnis ein - sie landete mit gut 22 Prozent und 90 Abgeordneten auf Platz zwei. Das ist ihr schlechtestes Ergebnis seit der Rückkehr Spaniens zur Demokratie nach dem Ende der Franco-Diktatur.
Der Spitzenkandidat von Podemos (Wir Können) Pablo Iglesias feierte das Ergebnis der Linken. »Heute wurde ein neues Spanien geboren«, sagte der 37-Jährige. Die erst im März vergangenen Jahres gegründete Partei zog hinter der rechtskonservativen Partido Popular von Ministerpräsident Mariano Rajoy als drittstärkste politische Kraft ins Parlament ein.
Podemos erhielt nach vorläufigen Ergebnissen 20,7 Prozent und 69 von insgesamt 350 Sitzen. Das Wahlergebnis habe in Spanien nach vielen Jahrzehnten »das Ende des Zweiparteiensystems besiegelt«, sagte Iglesias. Die Wähler hätten sich »für den Wechsel und für ein neues politisches System« ausgesprochen. Nach den Erfahrungen der jüngsten Wirtschaftskrise in Spanien sei nun vor allem eine Verfassungsreform dringend nötig, um auch die Rechte der sozial Schwachen zu schützen.
Einer der Verlierer des Sonntags ist die Partido Popular - die sich am Abend aber als Sieger der Wahlen ausrufen konnte. Rajoys Partei verlor beim Urnengang die absolute Mehrheit und erlitt mit 28,7 Prozent und 123 Abgeordneten erhebliche Verluste. Das sind 63 Sitze weniger als bisher. Der von Kritikern als neoliberal bezeichnete noch junge Partei Ciudadanos (»Bürger«) unter Führung des 36-jährigen Anwalts Albert Rivera erreichte 13,9 Prozent und 40 Sitze - deutlich weniger, als kurz vor der Wahl angenommen und von manchen Medien angefeuert.
Die Linkspartei Izquierda Unida kam auf 3,67 Prozent und zwei Mandate. Sie verliert landesweit über drei Prozent der Stimmen im Vergleich zu 2011 und damit neun von ihren einst elf Mandaten.
Rajoy wird nun versuchen, eine Regierungsmehrheit zusammenzubekommen. »Wer die Wahlen gewinnt, muss eine Regierungsbildung versuchen. Ich werde versuchen, eine Regierung zu bilden«, sagte der Noch-Regierungschef. In einer Rede vom Balkon der PP-Zentrale rief Rajoy vor Hunderten von Anhängern: »Spanien braucht Stabilität, Sicherheit, Gewissheit und Vertrauen.« Krisenpolitisch galt die auf einen harten Kürzungskurs setzende Rajoy-Regierung als »Musterschüler Deutschlands«. Der PP-Premier kündigte an, er wolle diesen »Reformkurs« fortsetzen – jenen Kurs also, für den die Partido Popular bei der Abstimmung abgestraft wurde.
Der 60-jährige räumte ein, die anstehenden Koalitionsgespräche würden nicht leicht werden. Man werde »viel reden und Abkommen erzielen müssen«. In Spanien gebe es trotz der Erfolge seiner Regierung und der wirtschaftlichen Erholung »noch viel zu tun«. Der Chef der sozialdemokratischen PSOE, Sánchez, der von einem »Wunsch nach einem Wechsel« gesprochen hatte, räumte ein, dass die Konservativen als stärkste Fraktion nun als erste eine Regierungsbildung versuchen müssten.
Ein Mitte-Rechts-Bündnis seiner Partei mit den Ciudadanos bliebe unter der absoluten Mehrheit. Eine große Koalition von Konservativen und Sozialdemokraten hätte im Parlament eine stabile Mehrheit, gilt aber eher als unwahrscheinlich. Rajoy und Sánchez hatten vor der Wahl eine ungewöhnlich harte TV-Debatte geführt und damit die bestehende Kluft zwischen ihren Parteien noch vertieft.
Eine Mitte-Links-Allianz von PSOE und Podemos brächte im Parlament nicht genügend Stimmen zusammen. Theoretisch möglich wäre allerdings, dass PSO und Podemos mit den regionalen Unabhängigkeitsparteien ERC und EH Bildu kooperieren. Zusammen kämen diese aber auch nur auf 174 Sitze, zudem steht die politische Frage eines Unabhängigkeitsreferendums für Katalonien, das von der PSOE abgelehnt wird.
Die Regionen spielen in Spanien nicht nur im Wahlsystem bei der Zuteilung der Mandate eine wichtige Rolle. Auch politisch zeigen sich hier entscheidende Entwicklung, die auch auf die parlamentarische Gesamtlage wirken. Aus Katalonien steuert das Bündnis aus Podemos und Barcelona En Comú von Bürgermeisterin Ada Colau 12 Sitze für die linken Mandate bei. Die Linksrepublikaner der ERC kamen dort auf 9 Sitze. In Galicien wird das mit Podemos liierte EnMarea zweitstärkste Partei, im Baskenland wurde überraschend stärkste Partei in der Region.
Das spanische Parlament wird am 13. Januar zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Danach sind 60 Tage Zeit, um eine Regierung zu bilden und einen Ministerpräsidenten zu wählen. Gelingt dies nicht, stehen Neuwahlen an - was von Beobachtern angesichts der Mehrheitsverhältnisse als nicht die unwahrscheinlichste Variante angesehen wird.
Die Beteiligung an der Parlamentswahl in Spanien ist im Vergleich zur Abstimmung vor vier Jahren deutlich gestiegen. Am Sonntag gaben 73,2 Prozent der gut 36 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie Kommunikationsstaatssekretärin Carmen Martín Castro am späten Abend in Madrid mitteilte. Bei der Parlamentswahl im November 2011 waren es 68,94 Prozent gewesen. Agenturen/nd
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