Apple empört sich gegen britisches Überwachungsgesetz

Konzern: Pläne würden weltweit den Technologiesektor hemmen und internationale Konflikte heraufbeschwören / Gesetzentwurf macht Millionen Internetnutzer potenziell »gläsern«

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
Jeden Chat protokollieren oder Geräte fernsteuern - technisch ist das heute bereits möglich. Ein Gesetzentwurf der britischen Regierung soll dies jetzt legalisieren - Internetkonzerne laufen dagegen Sturm.

Der Computer- und Internetkonzern Apple hat mit drastischen Worten die britischen Pläne zur Überwachung des Internets verurteilt: Sie würden weltweit den Technologiesektor hemmen und internationale Konflikte heraufbeschwören. Der US-Konzern habe seine Einschätzung am Montag schriftlich einem Ausschuss des Londoner Parlaments mitgeteilt, berichteten »Financial Times« und BBC am Dienstag.

Unter den Labels »Terrorismusbekämpfung« und »Bekämpfung der Organisierten Kriminalität« plant die britische Regierung, Geheimdiensten und der Polizei weitreichende Rechte für die Überwachung des Internets zu gewähren. Nach den Plänen der konservativen Innenministerin Theresa May dürften sie dann auch Internetaktivitäten bestimmter Nutzer überwachen, ohne dafür eine richterliche Genehmigung einzuholen.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, Internetfirmen zu verpflichten, Details über jeden einzelnen Webseitenaufruf jedes einzelnen Nutzers für ein Jahr lang zu speichern und sie auf Verlangen den Behörden zu übergeben. Damit hätten Polizei und Geheimdienste potenziell Zugriff auf die komplette Internet-Kommunikation der Nutzer – etwas, das in Großbritannien, der EU und den USA bisher nicht legal möglich ist. In Großbritannien ironischerweise aus der Angst heraus, diese riesigen und unglaublich detaillierten Datenmengen könnten in die »falschen Hände gelangen«.

Der Gesetzentwurf soll dem britischen Geheimdienst GCHQ aber noch ganz andere Dinge ermöglichen – oder besser gesagt legalisieren, was er und andere Geheimdienste bisher wahrscheinlich schon ohne gesetzliche Grundlage tun: So soll sich der GCHQ weltweit beispielsweise in Computer oder Smartphones einhacken und dabei sowohl alle Daten absaugen als auch eigene Software oder Inhalte auf die Geräte laden dürfen – bis zur Möglichkeit, Kameras oder Mikrofone unbemerkt vom eigentlichen Nutzer zu steuern. Die komplette Kontrolle des Gerätes läge dann beim Geheimdienst.

Die technischen Möglichkeiten dafür sind längst vorhanden. So erstaunt es vielleicht nicht, dass May ihren Gesetzentwurf nur als »Update schon bestehender Fähigkeiten« besteht. Aber auch hier steckt der Teufel im Detail: Der Gesetzentwurf ermöglicht wie beschrieben die Nachverfolgung jeder einzelnen Website, nicht nur der Hauptseite. Somit wäre dann in Zukunft nicht nur nachzuverfolgen, welche beispielsweise Pornoseite ein Nutzer besuchte, sondern auch, was er dort suchte. Ähnlich ist es bei Anfragen über Suchmaschinen: Nicht nur der Aufruf einer Suchmaschine wie Google wäre nachzuverfolgen, sondern auch jedes einzelne Suchergebnis.

Im Ergebnis würden in Großbritannien schon heute bestehende technische Möglichkeiten legalisiert, die den letzten Rest Vertrauen von Internetnutzern in die ohnehin kaum vorhandene Vertraulichkeit ihrer Kommunikation zerstören könnte. Großen Internetkonzernen wie Apple oder anderen, die heute noch mit der Verschlüsselung, beispielsweise ihrer Messengerdienste werben, würden damit aber gleichzeitig wichtige Geschäftsfelder wegbrechen. So erstaunt es nicht, dass wie die »Financial Times« unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Kreise berichtet, dass auch die Internet-Riesen Google, Facebook, Twitter, Yahoo und Microsoft dem Parlamentsausschuss eine ähnliche Einschätzung schicken wollen. mit Agenturen

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