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Wer braucht schon Helden?

Was für eine friedfertige Gesellschaft unerlässlich ist. Von Stefan Otto

Schönhauser Allee in Berlin, die Gehsteige sind immer belebt, am Tag wie in der Nacht. An einer Mauer hängen vier Bronzetafeln, die alliierter Soldaten gedenken, die Berlin befreiten: »alle, die ihr ihr vorübergeht, erweist jenen die ehre, die gefallen sind, damit ihr leben könnt.« Die Tafeln sind voller Graffiti. Fast immer. Vielleicht ist es das Werk gedankenloser Sprayer - oder das von strammen Nazis. Möglicherweise ist es aber auch der stille Protest eines Pazifisten, der denkt wie Mahatma Gandhi: »Was man mit Gewalt gewinnt, kann man nur mit Gewalt behalten.« Tatsächlich war der 8. Mai 1945 mitnichten das Ende aller kriegerischen Auseinandersetzungen. Dennoch ist die Haltung von Utopisten wie Gandhi noch immer kaum mehrheitsfähig. Auschwitz wäre wohl niemals von Nichtregierungsorganisationen befreit worden, führen Realisten an.

Dieser Disput zwischen Pazifisten und militanten Friedenskämpfern existiert schon lange. Es gab ihn bereits in einer Zeit, bevor in Europa die Weltkriege ausbrachen: Eine schillernde Pazifistin im 19. Jahrhundert war Bertha von Suttner, die eng mit dem Industriellen und Chemiker Alfred Nobel befreundet war. Nobel stellte Dynamit her und träumte zeitlebens davon, eine solche Waffe zu erfinden, die von jeglichem Krieg abschrecken würde. Von Suttner schrieb dagegen den Bestseller »Die Waffen nieder«. Über Jahre pflegten die Literatin und der Unternehmer eine Brieffreundschaft, in der sie sich tatsächlich annäherten: Nobel legte in seinem Testament fest, von seinem Vermögen einen Preis für jene zu stiften, die am meisten für die Befriedung Europas getan haben.

Seit 1901 wird der vielbeachtete Friedensnobelpreis vergeben. In manchen Jahren erkennt man eine völlige Ohnmacht des Komitees: Während der Weltkriege lobte es etwa mehrere Male keinen Preis aus; es erhielten auch schon bloße Hoffnungsträger die Auszeichnung - 2009 zum Beispiel bekam Barack Obama den Nobelpreis, nachdem er erst wenige Monate als US-Präsident im Amt war. Bisweilen entsteht bei den Preisverleihungen der Eindruck, als würden der Welt die Helden ausgehen; als gäbe es keine Persönlichkeiten mehr, die dieser hohen Auszeichnung würdig sind.

Vielleicht braucht es diese auch gar nicht. Wenn es nämlich viele gibt, die friedfertig im Einklang mit den Menschenrechten leben, wie Gandhi es sich wünschte, dann benötigt man keine schillernden Größen mehr, um eine befriedete Gesellschaft zu schaffen. Helden sind dann etwas fürs Kino.

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