Die gruseligen Kampfansagen von Pegida
»Mhm, mhm, mhm, aah, aah, aah« ... Stephan Fischer über den neuen Soundtrack der rechten Bewegung und alte aggressive Töne
Die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung in Dresden will ihre Aufmärsche auch im Jahr 2016 fortsetzen. Auf der Facebook-Seite des rechten Netzwerks wird für den ersten Montag im neuen Jahr mobilisiert: »Freunde, so schnell vergeht die Zeit und es ist schon wieder eine Woche rum wo wir uns gemeinsam trafen zum PEGIDA - Weihnachtssingen. Nun müssen wir noch eine Woche ausharren bevor wir wieder alle Gesicht zeigen können. Das ist nicht schlimm, denn schließlich bedeutet es auch, dass wir Kräfte sammeln können um am 4.1.2016 wieder anzugreifen!« Die radebrechende Rhetorik ist dieselbe geblieben, ebenso der unverhohlen aggressive Ton.
Ganz ohne Worte kommt dagegen die »offizielle Pegida-Hymne« aus, die seit einigen Tagen über eine große Online-Plattform zum Download angeboten wird. Rund zwei Minuten »Mhm, mhm, mhm, aah, aah, aah, la la la« für 1,29 Euro. In den Download-Charts des US-amerikanischen Anbieters hat er bereits Platz 1 in der Kategorie »Soundtrack« erreicht – mit jedem Download verdient wahrscheinlich also ein an der Wall Street börsennotiertes US-Unternehmen einen nicht geringen prozentualen Anteil des Preises. Und das, wo doch »Börse, Wall Street, New York, US-Ostküste« für viele Pegida-Anhänger nur die Metapher für das Böse im Kapitalismus stehen, der die kuschelige Volksgemeinschaft zerstört – wer für sie dahinter steht, wollen viele dann doch nicht so offen sagen.
Aber für 1,29 Euro bekommt der Hörer neben besagtem Text auch noch etwas sphärisch anmuten sollende Keyboard- oder Klaviermusik, die unter dem Label »Peggy Sounds« vertrieben wird. »Soundtrack« scheint auch die richtige künstlerische Einordnung zu sein – der Untergang des Abendlandes muss schließlich mit Pathos begleitet werden. Die Hymne erinnert ein wenig an die Instrumentalwerke von Vangelis – die Entdeckung Amerikas oder das ostdeutsche Lagerfeuer vor dem Fernseher Anfang der 90er-Jahre, RTL eingeschaltet, Henry Maske kämpft gleich; einer der sich in der neuen Unübersichtlichkeit des gerade vereinten Deutschlands durchboxt. Der Anklang an die Zeit nach der Wende ist dabei sicher Zufall, aber damals brannten nicht nur (Fernsehlager)-Feuer.
Auch wenn die Pegida-Organisatoren jeden Zusammenhang leugnen, die aggressive Rhetorik auf ihren Veranstaltungen in ihrer Mischung aus Hybris und apokalyptischen Ängsten hat das politische Klima nicht nur in Dresden extrem aufgeheizt. Bei den Demonstrationen selbst ist jedes Mal ein Großaufgebot von Polizei nötig – und das nicht nur wegen der Gegendemonstranten. Regelmäßig sind die Berichte über Gewalttatten, die im Nachklang der »Spaziergänge« geschehen – Nazis, die Jagd auf Linke machen.
Und selbst ein Großaufgebot der Polizei kann dies nicht verhindern, selbst wenn der Kräfteeinsatz immens ist: Mehrere kleine Anfragen des LINKE-Landtagsabgeordneten André Schollbach an die Landesregierung haben ergeben, dass dass bei den Aufmärschen von Pegida, Legida (Leipzig) und Pegida in Chemnitz und im Erzgebirge von Oktober 2014 bis 07. Dezember 2015 insgesamt 65.570 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingesetzt worden sind – allein in Leipzig wurden am 21. Januar 2015 5100 Beamtinnen und Beamte eingesetzt, in Dresden fand der größte Einsatz am 19. Oktober 2015 mit 1.900 Beamtinnen und Beamten statt.
Solch ein Polizeiaufgebot ist nicht einmal bei Hochrisikospielen im Fußball zu finden – und das bei einer sächsischen Polizei, deren Belastungsgrenze nicht nur nach Ansicht von Schollbach längst überschritten ist: »Diese massive Häufung an Großeinsätzen stellt eine enorme Belastung für die Polizistinnen und Polizisten dar. Der jahrelange von der CDU und deren Innenminister Ulbig betriebene Personalabbau hat zu erheblichen Schwierigkeiten bei der personellen Absicherung der Polizeieinsätze geführt«, schließt Schollbach. Auch ein Verzicht auf Spaziergänge an Montagen könnte dort relativ schnell Abhilfe schaffen, aber für derlei Argumente haben die Fremdenfeinde von Pegida jetzt ja auch den passenden Soundtrack, um sie zu übertönen: »Mhm, mhm,mhm, aah, aah, aah, ...«
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