Mediziner beenden aus Protest Asyl-Hilfseinsatz
Italien: Ärzte ohne Grenzen prangert Bedingungen im ersten »Hotspot« in Europa für Flüchtlinge als »unwürdig« an
Berlin. Aus Protest gegen »unwürdige« Bedingungen im europäischen Erstaufnahmezentrum in Pozzallo auf Sizilien beendet die Organisation Ärzte ohne Grenzen dort ihre Hilfseinsätze. Auch das psychologische Hilfsprogramm in den Aufnahmezentren in der sizilianischen Provinz Ragusa werde eingestellt, teilten Ärzte ohne Grenzen am Mittwoch in Berlin mit. Die Organisation äußerte die Befürchtung, dass »ein strukturell unangemessenes Aufnahmesystem in Italien zur Norm wird«. Sie will ihre Hilfe aber in anderen Projekten auf Sizilien und auf dem italienischen Festland fortführen.
Der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Italien, Stefano di Carlo, erhob schwere Vorwürfe gegen die italienischen Behörden: »Trotz unserer Forderungen sind die Aufnahmezentren nach wie vor überfüllt, es gibt zu wenige Informationen über den rechtlichen Status, die Menschen werden nicht ausreichend geschützt.« Er hob hervor: »Die Bedingungen, unter denen die Ankommenden in Sizilien aufgenommen werden, sind unwürdig.« Unter ihnen seien Schwangere, Minderjährige und Folteropfer. Die Möglichkeiten für Ärzte ohne Grenzen, auf deren Bedürfnisse angemessen einzugehen, seien »extrem eingeschränkt«.
Das Erstaufnahmezentrum Pozzallo auf Sizilien war Ende November zu einem der ersten sogenannten Hotspots in Europa geworden. Dort soll gleich nach der Ankunft entschieden werden, welche Ankömmlinge Aussicht auf Asyl haben und wer als mutmaßlicher Wirtschaftsflüchtling zurückgeschickt werden soll.
Ärzte ohne Grenzen erklärte nun: »Dem Schutz verletzlicher Personen, die nach langen Reisen über das Meer ankommen, wird immer weniger Beachtung geschenkt.« Bei der Erstaufnahme in Pozzallo sollten die Gesundheit und das psychosoziale Wohlergehen der Neuankömmlinge oberste Priorität haben, forderte Federica Zamatto, die medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. Zusammen mit anderen Hilfsorganisationen hatte Ärzte ohne Grenzen bereits im Oktober gegen die Zustände in Pozzallo protestiert.
Von den mehr als 150.000 Menschen, die im vergangenen Jahr über das Mittelmeer nach Italien kamen, gingen der Organisation zufolge rund 15.000 im Hafen von Pozzallo an Land. Insgesamt kamen seit Anfang 2014 mehr als 320.000 Flüchtlinge über das Meer nach Italien. AFP/nd
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