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Machtergreifung

Neues Mediengesetz in Polen

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Staat müsse nicht unbedingt ein Verfassungsgericht haben, um demokratisch zu sein, schreibt der Verfassungsrechtler Dieter Grimm in einem Gastbeitrag für die FAZ (Montagausgabe) zur Entmachtung des Verfassungsgerichts in Polen durch die neue rechtsgerichtete Regierung in Warschau. Doch der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht schränkt ein, dass gerade in einem Staat wie Polen, der eine noch junge demokratische Geschichte habe, die Demokratie auf schwachen Füßen stehe, wenn der Verfassung eine gerichtliche Durchsetzungsinstanz fehle.

Grimms Befund lässt sich ohne Weiteres auf die öffentlich-rechtlichen Medien übertragen. Mehr noch: Ein Staat mag demokratisch auch ohne Verfassung sein, ohne öffentlich-rechtliche Medien, die sich zumindest teilweise dem Quoten- und Marktdruck entziehen können, ist eine Gesellschaft es nicht. Wie wichtig dabei das Prinzip der Staatsferne ist, hat das Bundesverfassungsgericht vor gut zwei Jahren in seinem Urteil zur Zusammensetzung der ZDF-Gremien betont. Die Politik, vor allem aber Staatsvertreter dürften keinen zu großen Einfluss auf die Sender haben, betonten die Richter.

Sicherlich, man kann einwenden, dass selbst dann, wenn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wird und künftig nur noch ein Drittel statt wie bisher 44 Prozent »staatsnahe« Personen im Fernsehrat und Verwaltungsrat des ZDF sitzen, angesichts der vielen Ex-Politiker, die über das Ticket von diversen Verbänden und Organisationen dennoch in die Gremien gelangen, von einem geminderten Parteieneinfluss keine Rede sein kann. Bei Entscheidungen zur Besetzung der Führungspositionen bei ARD und ZDF spielt die Parteipolitik deshalb nach wie vor eine zu große Rolle. Die plurale Zusammensetzung der Rundfunk- und Fernsehräte, vor allem aber das in allen demokratischen Parteien tief verankerte Bewusstsein dass Mehrheiten immer auch die Interessen der Minderheiten berücksichtigen müssen, schützen allerdings vor Entwicklungen, wie sie jetzt in Polen drohen. Durch das von den beiden Kammern des Parlaments in Warschau beschlossene Mediengesetz kann die mit absoluter Mehrheit regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) direkt über die Besetzung von Leitungspositionen bei den öffentlichen Sendern entscheiden. Eine solche Machtergreifung fiele hierzulande nicht einmal einem Horst Seehofer und der CSU ein. Die Konsensdemokratie westlicher Prägung hat auch ihre Vorteile.

Nach den Plänen der PiS sollen die Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks künftig von einem durch den Staatspräsidenten und den beiden Parlamentskammern bestimmten »Rat der Nationalen Medien« ernannt werden. Alle drei Institutionen sind derzeit unter der Kontrolle der PiS. Zudem sollen alle öffentlich-rechtlichen Medien direkt der Aufsicht des Kulturministers unterstehen. Ministerpräsidentin Beata Szydlo begründet das u.a. damit, dass die Bürger das Recht auf »objektive und plurale Informationen« hätten.

Auch der zweite Teil der PiS-Medienreform, die Beschränkung der Marktmacht ausländischer Medienkonzerne, bedeutet nur vordergründig ein Mehr an Meinungspluralismus. Mit Antimonopol-Bestimmungen sollen insbesondere die Anteile deutscher Verlage verringert werden. Bislang beherrschen die Medienhäuser Bauer Media Polska, Burda International und Axel Springer Polska den privaten Medienmarkt in Polen. Durch den Rückkauf von Anteilen und die Neugründung von konservativen Medien will die PiS eine »Repolonisierung« erreichen. Faktisch heißt das also nicht mehr, sondern weniger Demokratie und Pluralismus.

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