VW-Chef soll für gut Wetter sorgen
US-Automesse könnte zum Spießrutenlauf werden
Der US-Automarkt ist für den Wolfsburger Autobauer Volkswagen schon lange ein heißes Pflaster, weil die Geschäfte in den USA mangels passender Modelle nicht laufen. Doch so schlimm wie jetzt war es noch nie. Denn die USA sind das Epizentrum der Abgasaffäre, die VW in die tiefste Krise seiner Geschichte stürzte. Mitten im Diesel-Debakel muss Konzernchef Matthias Müller nun in die Höhle des Löwen - zur Automesse in Detroit.
Die USA haben Deutschlands größten Konzern wegen Betrugs und Verstößen gegen Umweltgesetze verklagt. Das war absehbar, VW hat den Einsatz der illegalen Abgassoftware schon eingestanden. Doch die Regierung wirft den Wolfsburgern zusätzlich vor, beim Aufarbeiten der Affäre zu tricksen und die Behörden in die Irre führen zu wollen.
Obendrein berichtet die »Süddeutsche Zeitung« von einem weiteren Schreckensszenario: 115 000 Dieselautos fürchte VW auf Druck der US-Behörden zurückkaufen beziehungsweise umtauschen zu müssen, schrieb das Blatt am Donnerstag. Dies würde neue Milliardenkosten verursachen. Der Konzern lässt den Bericht unkommentiert.
Auch für den Rest der knapp 600 000 vom Skandal betroffenen Fahrzeuge in den USA wird die Reparatur wohl deutlich aufwendiger als in Europa. Der Grund dafür seien die strengeren Abgasnormen. Während in Europa bei den meisten Autos ein Softwareupdate oder ein sogenannter Strömungstransformator ausreichen, sind laut »SZ« in den USA größere Eingriffe nötig. Konzernintern werde geschätzt, dass auch Teile im Abgasstrang neu konstruiert werden müssen - das dauere lange und sei teuer.
Das Problem droht zum Flächenbrand zu werden, Müller muss löschen. In der Nacht zum Montag hält er seine erste US-Pressekonferenz als VW-Chef. In den USA treffen die Wolfsburger nur bedingt den Geschmack der Kunden. Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh nannte das US-Geschäft schon offen eine »Katastrophenveranstaltung«. Selbst der Autozwerg Subaru verkauft dort mehr. Abhilfe schaffen soll eine SUV-Offensive, die ab Ende 2016 ein Siebensitzer-Dickschiff bringt. Das baut VW im US-Werk in Chattanooga. 2000 neue Jobs hat der Konzern versprochen. Der Abgasskandal platzt nun in die Aufholpläne - und lässt die Mitarbeiter um ihre Stellen fürchten.
Der Verkauf des in Chattanooga gebauten US-Passat brach im Dezember um mehr als die Hälfte ein, im Gesamtjahr liegt das Minus bei einem Fünftel. 2015 verkaufte VW in den USA nur 349 000 Wagen, vor allem Jetta und Passat. Das ist fünf Prozent unter Vorjahreswert und weit vom Ziel entfernt, bis 2018 rund 800 000 Wagen abzusetzen. Die Marke stammt noch von Müllers Vorgänger Martin Winterkorn.
Bis zum Diesel-Skandal hatten die USA eine Schlüsselrolle gespielt beim Ziel, bis 2018 vor Toyota weltgrößter Autobauer zu werden. Als Hauptgründe für die US-Schwäche gilt neben Lücken im Angebot auch mangelndes Verständnis für die Kundenwünsche. Bereits seit 2007 weist der Konzern seine US-Bilanz nicht mehr separat aus - aus gutem Grund, vermuten Experten. dpa/nd
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