Von Künstlers Glück

»Von Monet zu Mondrian« - eine Ausstellung im Lipsiusbau

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 5 Min.
Kunst ist Kunst. Ob sie nun öffentlich oder privat als solche wahrgenommen wird oder nicht, ihr Wert bleibt davon unberührt. Selbst durch den käuflichen Erwerb von Kunstwerken wird ihre Bedeutung keineswegs fixiert. Aber: Einerseits schätzen viele Künstler ein Echo auf ihr Tun und ihre Leistung hoch, und Sammler ihrer Werke sind am Ende die Bestätigung dafür, dass sie nicht nur für sich allein tätig waren. Andererseits reden sich oft die Besten gern ein, ja nur Selbstdarsteller zu sein. Verwundert sehen sie dann, wie ein kümmerliches Mittelmaß die Kunstszene besetzt. Und ein wenig kompetentes Publikum klatscht noch Beifall. Da waren seit jeher leidenschaftlich engagierte Sammler-Persönlichkeiten unschätzbar wertvoll. Indem sie Akzente vorgaben, spornten sie die Künstler an, ja, sie stellten sogar eine begrenzte, aber gediegene Öffentlichkeit für sie her. Beim Entstehen neuer Kunstströmungen gibt es häufig solche Leitfiguren Wenn man sich von Traditionen verabschiedete, begleiteten Galeristen und Liebhaber diesen Prozess ermunternd. Bei der Etablierung der klassischen Moderne war das nicht anders. Institutionen zementieren Strukturen. Das fordert zum Glück Privatinitiativen heraus. Seinerzeit noch marktunabhängig, oft geradezu utopisch orientiert. Dresden galt per Dekret als Kunststadt. Die monarchischem Beispiel gleichzeitig nacheifernden und Paroli bietenden Dresdner Privatsammler nahmen die Kunststadt beim Wort. Die obrigkeitshörig sammelnden Museen wollten den Siegeszug der Impressionisten 1895 noch nicht wahrhaben. Die Privatsammler Oscar Schmidt und Adolf Rothermundt hatten da das sensiblere Gespür. Reich geworden mit dem industriellen Aufschwung, war der eine aus Paris, der andere aus Sankt Petersburg zugewandert. Fabrikanten mit Kunstsinn - ein Dresdner Markenzeichen. Die Müllersfamilie Bienert, der Odol-Produzent Lingner oder die Bankiersfamilie Arnhold lagen förmlich im Wettstreit beim kulturellen (und auch sozialen) Engagement. Kein Wunder, dass Barlach und Kokoschka von Heinrich Arnhold sowie Klee und El Lissitzky von Ida Bienert so früh wie nur irgendwie möglich gekauft und gezeigt wurden. Andere Sammler und Sammlerinnen folgten ihrem Beispiel, und bald wies Dresden die größte Dichte an hochkarätiger moderner Kunst in ganz Deutschland auf. Die Staatlichen Kunstsammlungen und speziell ihre Abteilung Neue Meister rufen nun genau dies einem breiten Publikum ins Gedächtnis. Ein originelles (und durch die notwendigen Leihgaben aufwändiges) Ausstellungskonzept ist entstanden. Eigentlich so aufsehenerregend, dass eine Kaschierung mit dem allzu aussageschwachen Titel »Von Monet zu Mondrian« nicht notwendig wäre. Auch die bunt mit den prominentesten Künstlernamen gespickte Werbegrafik für die Schau, von der Großfläche bis zur Eintrittskarte kolportiert, wird dem nicht gerecht. Das setzt sich in der Ausstellung fort, in der die Sammlernamen jeweils nur in winziger Schrift gegeben werden. Grandios dagegen die Substanz des Ganzen. Fast alles hat sympathisch intime Ausmaße. So lässt die Eigenart der spröde-sperrigen Innenarchitektur des Lipsiusbaus alles, was auf kürzere Distanz in den beiderseitigen Kojen untergebracht ist, ganz vorzüglich zur Geltung kommen. Wo weite Sichtachsen gegeben sind, wirken selbst Claude Monet oder Max Slevogt verloren. Ganz abgesehen davon, dass generell alles auf die schneeweiße Wand gehängt wird, was einen dunkleren Hintergrund brauchte. Man wagt gar nicht, an die Wohnungen zu denken, in denen all das einmal hing oder stand. Und lebendige Wirkung ausübte, leider oft nur für Jahre, ehe häufig eine gewachsene Kollektion von Erben auseinandergerissen wurde. Ganz selten jahrzehntelang, wie in dem Domizil von Idas Sohn Fritz. Er war in erster Ehe mit Gret Palucca und in zweiter mit Branka Musulin verheiratet: Dresden »light« sozusagen. Keine Überraschung, dass die im familiären Ambiente präsenten Kandinsky-Kurven auf den Körper der Tanzschöpferin übersprangen und die Finger der begnadeten Pianistin Paul Klees filigrane Wunderwerke auf den Tasten nachempfanden. Das allerdings verraten uns weder Ausstellung noch Katalog. Da dürfen wir registrieren, wie Ida Bienert die der Stadtzerstörung entgangenen Sammlungsbestände mit Hilfe des Dresdner und bald Westberliner Kunsthistorikers Will Grohmann nach München transferierte. Von wo sie alsbald ihren Weg in alle prominenten westdeutschen Museen fanden. Dresden ging leer aus. Ein auf absurde Weise tragischer Tatbestand. Warum? Weil bornierte Reinheitswächter über die Prinzipien des Sozialistischen Realismus dem Vorschub leisteten. Jedenfalls ist es ein schwacher Trost, eine so schöne Auswahl so wertvoller Kunst nun wenigstens als Gastspiel wahrnehmen zu dürfen. Wer beim Rundgang die Kunstwerke nacheinander als solche auf sich wirken lässt, wird ihnen gewiss gerecht. Erst das Lesen des Kataloges ermöglicht allerdings eine gewisse Steigerung dieses Erlebnisses. Als Erforscherin der Sammlerbiografien hat sich besonders Kustodin Heike Biedermann einen Namen gemacht. Man liest von Carl Louis Uhle, vom Schlosser zum Unternehmer geworden, als Erwerber von Claude Monets »Pfirsichglas«. Eine Stiftung seiner kompletten Sammlung an die Gemäldegalerie scheiterte an der Habsucht der Erben. Margarete Stegmann lernen wir als Emil Nolde verehrende Nervenärztin kennen. Wir erfahren, wie sehr Reißverschlussproduzent Hans Dittmayer kleine Bronzen liebte. Oder wieso der jüdische Rechtsanwalt Fritz Glaser, der sich von Otto Dix und manch anderem schonungslos karikieren ließ und in seinem Gästebuch von Griebel bis Lachnit, Ringelnatz bis zu den Grundigs die ganze linke Szene zu Bild kommen ließ, ein Musterbeispiel toleranten Umgangs mit einer rabiaten Künstlerboheme war. Gewürdigt wird der Direktor des Kupferstichkabinetts, Woldemar von Seidlitz, in den 20er Jahren selbst als renommierter Privatsammler in Erscheinung tretend. Wolfgang Balzer und Fritz Löffler folgten ihm übrigens zu DDR-Zeiten - offiziell als Grafik-Kenner, privat als Grafik-Sammler. Dass die Dresdner Familie Baring nicht nur den eifernden Politologen Arnulf hervorbrachte, sondern auch die kunstsammelnde Physiotherapeutin Ursula, steht auf einem anderen Blatt. Auf dem müsste einmal an die Sammler jener Jahre bis hin zur Gegenwart erinnert werden, prominente Intellektuelle wie namenlose so genannte Werktätige, welche der Künstlerschaft durch ihr Kaufinteresse Mut und Lust zu schöpferischen Taten machten. Von Monet bis Mondrian - Meisterwerke der Moderne aus Dresdner Privatsammlungen der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts Täglich außer dienstags 10 - 18 Uhr bis 14.Januar 2007 Staatliche Kunstsammlungen Dresden Lipsiusbau Palais Brühlsche Terrasse Katalog 39.90 EUR.

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