Regierung will Migranten Wohnsitz vorschreiben

SPD-Chef: Sonst ziehen alle Asylbewerber in die Großstädte / Grünen-Politiker Beck: Das ist völkerrechtlich unzulässig / Pro Asyl: Parteien überbieten sich bei Forderungen nach restriktiven Maßnahmen

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Berlin. Die Bundesregierung prüft die nächste Gesetzesverschärfung gegen Flüchtlinge - eine Wohnortpflicht für anerkannte Asylbewerber. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage hervor, die den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vorliegt. Dabei müsse aber »eine besonders sorgfältige Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgen«, heißt es demnach in dem Papier. Bisher unterliegen nur Flüchtlinge ohne Anerkennung einer Residenzpflicht, die zudem nach drei Monaten erlischt. Die Residenzpflicht besagt, dass Asylbewerber den ihnen zugewiesenen Wohnort nicht wechseln dürfen.

Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte sich am Sonntagabend dafür ausgesprochen, auch anerkannten Asylbewerbern ihren Wohnsitz vorzuschreiben. »Ich glaube, wir brauchen eine Wohnsitzauflage, sonst ziehen die Menschen - auch die anerkannten Asylbewerber - alle in die Großstädte«, sagte Gabriel in der ARD. »Da massiert sich das Problem und wir kriegen richtige Ghettoprobleme«, fügte er zur Begründung hinzu. Bereits im Dezember hatte der CDU-Parteirat einen entsprechenden Antrag beschlossen. »Wir müssen zusätzliche Wanderungsbewegungen in die Großstädte und Ballungsräume verhindern und eine gleichmäßige Verteilung in Deutschland gewährleisten«, heißt es in dem Antrag. Auch Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte nach der Vorstandsklausur ihrer Partei in Mainz gesagt, eine Wohnsitzauflage müsse geprüft werden, um »die Belastungen« durch die Unterbringung der Hunderttausenden Flüchtlinge gleichmäßiger zu verteilen.

Die Grünen halten eine Wohnortpflicht auch für anerkannte Flüchtlinge dagegen für rechtswidrig. »Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge sind völkerrechtlich und europarechtlich unzulässig«, sagte der Grünen-Innenexperte Volker Beck den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Zudem seien diese auch integrationspolitisch kontraproduktiv. »Die Bundesregierung vergeudet mit der Prüfung populistischer Vorschläge aus den Reihen der Union Zeit und Energie statt tragfähige Integrationskonzepte zu entwickeln«, sagte Beck.

Auch die Flüchtlingsorganisation »Pro Asyl« die Forderung Gabriel ab. Asylbewerber in Gegenden zu zwingen, in denen die Bevölkerung aus guten Gründen abnehme, lehne er ab, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Ein junger Flüchtling hat nicht überall gleich gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz.« Asylbewerber in die Fläche zu schicken, würde bedeuten, dass sie vermehrt auf staatliche Sozialleistungen angewiesen wären. »Das sind integrationspolitische Fehlmaßnahmen.«

Er habe den Eindruck, dass die Kölner Vorfälle von der Politik benutzt würden, um schärfere Gesetze politisch zu legitimieren, sagte Burkhardt. »Es besteht die Gefahr, dass sich Parteien nun bei restriktiven Maßnahmen überbieten.« So würden rechtsextreme Standpunkte verstärkt und salonfähig gemacht. »Die Politik darf der rechten Stimmung nicht hinterherlaufen.«

Auch ein strengeres Abschiebungsrecht für straffällige Asylbewerber lehnte Burkhardt ab. Bei Straftaten müssten Ausländer genauso bestraft werden wie Deutsche und in Deutschland ihre Strafe verbüßen. Etwas anderes ließen das deutsche Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention nicht zu.

Burkhardt glaubt nicht, dass angesichts der Ereignisse in Köln und anderen Städten die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in Deutschland kippt. Die Hilfsbereitschaft und Solidarität sei hierzulande so groß wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. Er forderte die Politik auf, ihren Anteil dazu beizutragen. Agenturen/nd

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