Die Tür ist aufgemacht
Im Langzeitprojekt »Rummelplatz« in der Schaubude wird mit Geflüchteten gearbeitet
Viele Berliner Kulturorte möchten mit Geflüchteten arbeiten - in der Schaubude Berlin ist es gerade Wirklichkeit geworden. Gemeinsam mit dem Theater Arbeit Duisburg wurde hier das Langzeitprojekt »Rummelplatz« gestartet. Das Ziel ist es, mit Mitteln des Objekttheaters und jenseits sprachlicher Barrieren Erfahrungen und Wünsche zu teilen. Anfang Januar begannen drei zweiwöchige Workshops, beim Hausfest am vergangenen Sonnabend wurden Ergebnisse in Performances, Installationen und Musik präsentiert.
»Die Workshops waren nicht auf fertige Präsentationen ausgerichtet, es geht heute beim Hausfest eher darum, der Öffentlichkeit den Arbeitsprozess vorzustellen«, sagt Tim Sandweg, der seit September 2015 künstlerischer Leiter der Schaubude Berlin ist. Seit einiger Zeit schon sammelt die Schaubude Eintrittsgelder für geflüchtete Kinder, diesmal wurde mit Erwachsenen gearbeitet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus Syrien, Iran, Irak und aus Ägypten. 90 Prozent waren Männer zwischen 20 und 35 Jahren, die jetzt in Unterkünften in Grünau und Köpenick leben. Aber auch Deutsche und Griechen waren dabei. Viele der Beteiligten sprachen Englisch, ansonsten dolmetschten sie füreinander.
Die Idee zum Projekt hatte Stella Cristofolini vom Theater Arbeit Duisburg, das langjährige Erfahrungen in der interkulturellen Arbeit hat. Das Projekt wurde mit assoziierten Künstlerinnen und Künstlern der Schaubude Berlin gestartet. »Das Objekt- und Puppentheater ist prädestiniert für den Austausch ohne Worte«, sagt Sandweg. Das Hausfest startete um 17 Uhr - und schon eine Stunde später glich der Ort dann wirklich einem Rummelplatz: Altersgemischte Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft unterhielten sich in einem fröhlichen Miteinander in verschiedenen Sprachen am hausgemachten Büffet oder im Theatersaal. Am Eingang des Saals hingen Zeichnungen von Körpersilhouetten, die den Workshop Objekttheater dokumentieren - einige trugen Titel: borders - home - Dunkelheit. Auf manchen standen kleine Texte: »And the light goes on. And the life goes on.« Oder »Ich bin die Hälfte der Zeit in der Unterkunft und die Hälfte in der U-Bahn. Ich habe Berlin schon kennen gelernt, aber mehr von unten.«
Die Präsentation in der Schaubude wurde mit Gitarrenmusik eröffnet. Dann betrat die Theaterpädagogin der Schaubude Susann Tamoszus mit einer Frau und drei Männern die Bühne. In ihrem Workshop ging es um das Thema »Hülle«. Große Papiersäcke wurden entfaltet, um den Bauch gewickelt oder über den Kopf gezogen, anschließend die im Workshop angefertigten Hüllen angezogen: ein kompliziertes, mit Stangen überbautes Gebilde, eine andere ganz mit Papierfedern bestückte Hülle, die nächste mit Geldscheinen beklebt. Im Workshop ging es um die Fragen: Was schützt mich? Was gibt mir Geborgenheit? Was macht mich (un)sichtbar? Wo bewahre ich Erinnerungen und Gedanken auf? Im Gestaltungsprojekt »Teppich« mit Sandy Schwermer wurden die Geschichten und Biografien der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Bindfaden in einen gemeinsamen Teppich verwebt, ihre Erfahrungen vernetzt.
Sehr ernsthaft fasste der Däne Nis Søgaard zusammen, was sich in seinem sechstägigen Workshop »Objekttheater« entwickelt hatte: Es ging um die erste Begegnung mit Berlin und Deutschland. Geflüchtete, Deutsche und Zuwanderer aus anderen Ländern suchten Geschichten, die in Deutschland angefangen haben, und ließen Objekte erzählen.
»Wir haben versucht, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln und uns zu fragen, wie viel Geschichte Objekte in sich tragen«, erklärt Søgaard. Den »intimen Raum«, der dabei entstanden sei, könne man jetzt nicht darstellen. Also wird improvisiert. Mit Bauklötzen, mit Objekten. Ein Hut wird auf ein Kissen gelegt, ein Koffer steht daneben. Ein Mann stellt ein Buch auf wie ein schützendes Haus, legt einen Apfel darunter. Andere fegen den Boden vor dem Haus, gießen ihn, hämmern auf ihn ein. Als am Ende dem Ganzen ein Titel gegeben werden soll und sich niemand aus dem Publikum entschließen kann, ruft eine gut gelaunte Dreijährige: »Und wer räumt das dann auf?« Auch das wird ins Arabische und Englische übersetzt und gemeinsam gelacht.
»Es ist ein Langzeitprojekt«, sagt Sandweg, »wir werden jetzt auswerten, welche der Methoden funktioniert haben.« Ende März finden die nächsten Workshops statt. »Wir wollen das Figurentheater der Interkulturalität öffnen, es ist ja ein Austausch - auch unsere Puppenspieler haben hier viel für sich gelernt.« Die stellvertretende künstlerische Leiterin der Schaubude Silke Haueiß erklärt, wie sehr sich die assoziierten Künstler engagiert hätten, auch ohne hohe Honorare. »Die Tür ist jetzt aufgemacht«, sagt sie, »wir sind bereit, mehr von den TeilnehmerInnen zu erfahren.«
www.schaubude-berlin.de/index.php
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