Die Eisbären holen die Pokale raus
Lange ignorierte der Berliner Eishockeyklub seine erfolgreiche Dynamo-Vergangenheit - am Freitag wird sie ganz groß gefeiert
Nach dem Mauerfall wollten die Berliner Eisbären das alte Dynamo-Image aus dem Gedächtnis löschen. Wimpel, Medaillen, Pokale - alles verschwand in Kisten verpackt in Abstellkammern. Dort lagerte die Erfolgsgeschichte Dynamos über Jahre. Als der Kanadier Pierre Pagé 2002 Trainer wurde, fragte er verwundert. »Habt ihr noch nie etwas gewonnen und keine Tradition?« Einige Tage später hingen die alten Siegerfotos wieder in der Kabine - Meisterfahnen mit dem Dynamo-»D« fanden ihren Platz unterm Dach des Wellblechpalastes in Berlin-Hohernschönhausen.
Seither pflegen die Eisbären mit Unterstützung des Geschäftsführers Peter John Lee ihre Tradition. An diesem Freitag wird die erfolgreiche Vergangenheit ganz groß gefeiert. Vor dem Spitzenspiel des DEL-Rekordmeisters und derzeitigen Tabellenführers Eisbären Berlin gegen die Düsseldorfer EG kommen einige Alt-Dynamos aufs Eis - die erste Meistermannschaft. Vor genau 50 Jahren, am 22. Januar 1966, gewann der SC Dynamo Berlin zum ersten Mal den DDR-Eishockeytitel. Nach 15 Siegen der Weißwasseraner schnappten sich die Berliner im Wilhelm-Pieck-Eisstadion in der Lausitz mit einem 2:1-Sieg ihren ersten Titel.
Im »Deutschen Sportecho« hieß es damals: »Als vom Bully weg Karrenbauer loszog, die Scheibe Prusa zuspielte und dessen Direktpass Nickel zum 1:0 für die Berliner verwandelte, fieberte das Stadion mit seinen 10 000 Zuschauern sofort vor Spannung.« Weiter heißt es: »Von den Stürmern machten von sich reden Karrenbauer durch seine sprunghafte Leistungssteigerung in dieser Saison und der junge Nickel, der in den letzten Kämpfen ein bemerkenswertes Spielverständnis zeigte.«
Die DDR-Meisterschaft wurde 1966 erstmals in Turnierform ausgespielt. Nach einer Doppelrunde, wurde das Feld geteilt. Die vier Erstplatzierten Dynamo Weißwasser, SC Dynamo Berlin, ASK Crimmitschau und TSC Berlin spielten um den Titel. SC Empor Rostock, Turbine Erfurt, SC Motor Karl-Marx-Stadt und Einheit Dresden kämpften gegen den Abstieg. »Wir rechneten uns keinen Chancen auf den Meistertitel aus, denn wir spielten in Weißwasser, unser Torjäger Joachim Ziesche lag mit einer Grippe im Bett und die Lausitzer führten in der Tabelle mit einem Punkt. Ihnen genügte ein Unentschieden«, erzählt der heute 71-jährige Hartmut Nickel. Aber wie gesagt, es kam anders. Nach dem 2:1 in der 24. Minute, machten die Berliner hinten dicht und Keeper Dieter Pürschel vernagelte das Berliner Tor.
Bernd Karrenbauer, der mit 17 Jahren 1962 von Dynamo Rostock mit Horst Schläger und Peter Prusa zum SC Dynamo nach Berlin delegiert wurde, bekommt immer wieder leuchtende Augen, wenn er an das Match von 1966 vor vollem Haus in Weißwasser denkt. 54 Jahre seines Lebens verbringt er bei den (Dynamo)-Eisbären. Nach seiner aktiven Zeit ließ er nicht los. Mit Akribie kümmert er sich noch heute um das Equipment der Eisbären. »Das ist wichtig, denn die Firmen lassen sich immer wieder etwas einfallen. Schulter- und Schienbeinschützer sind wieder etwas leichter geworden. Ich bin früher in Rostock noch mit Klamotten von zwölf Kilo Gewicht herumgelaufen. Heute wiegt die Ausrüstung höchstens sechs Kilo. Dadurch werden die Spieler schneller, was weiter Tempo ins Spiel bringt«, erklärt »Karre«.
Die meisten Spieler nehmen für jede Saison neue Schläger. Die federleichten Vollcarbon-»Knüppel« sind Maßanfertigungen. »Jeder Spieler wünscht etwas Spezielles. Der eine will das Blatt gekrümmt, der andere gerade. Wieder ein anderer bevorzugt einen langen Knüppel, der nächste liebt es kürzer. Materialchef Dirk Perschau freut sich, wenn ich ihm noch zur Hand gehe«, lächelt Karrenbauer und freut sich auf Freitag.
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