Prof. Dr. Dr. Dr.
Kulturministerin Sabine Kunst (SPD) wird Präsidentin der Humboldt-Universität. Von Andreas Fritsche
Die antifaschistische Widerstandskämpferin Liselotte »Lilo« Herrmann, ermordet 1938, hatte an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität Biologie studiert. Die Widerstandskämpferin Liselotte Welskopf-Henrich, berühmt als Autorin der wunderbaren Indianerromanreihe »Die Söhne der Großen Bärin«, studierte an der Friedrich-Wilhelms-Universität verschiedene Fächer, unter anderem Alte Geschichte. Dieses Fach lehrte sie später - nach dem Zweiten Weltkrieg - als Professorin an der selben Universität. Die hieß dann allerdings schon Humboldt-Universität (HU) und heißt bis heute so.
Die Porträts der Kommunistinnen Lilo Herrmann und Liselotte Welskopf-Henrich hängen im Hauptgebäude der Universität Unter den Linden. Brandenburgs Kultur- und Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) ist am vergangenen Dienstag an den beiden Bildern vorbeigelaufen. Sie kam aus dem Saal, in dem sie gerade in ihre künftige Funktion gewählt wurde, und schritt zu einem Raum auf der selben Etage, in dem sie vor der Presse erste Stellungnahmen abgab.
Kunst studierte nicht an der HU, aber sie wird im Sommersemester neue Präsidentin dieser »stolzen Universität«, wie sie selbst es formuliert. Die 1810 gegründete Hochschule zählt aktuell 34 214 Studenten, die 5234 Medizinstudenten der berühmten Universitätsklinik Charité nicht mitgerechnet.
29 Nobelpreisträger haben an dieser Universität gelernt oder gelehrt oder geforscht. In dieser Liste finden sich so klangvolle Namen wie die von Albert Einstein, Max Planck, Otto Hahn und Theodor Mommsen. Als erster Student hatte sich am 6. Oktober 1810 Carl Eduard Schroeder für ein Jurastudium eingeschrieben, als erste Studentin kam am 6. Oktober 1908 Agnes von Zahn-Harnack, die an der Philosophischen Fakultät immatrikuliert wurde. Die Humboldt-Universität gehört seit dem 15. Juni 2012 zu den elf herausgehobenen Exzellenzuniversitäten Deutschlands.
Erst eine einzige Frau stand bislang an der Spitze der HU. Es war in den 1990er Jahren Marlis Dürkop-Leptihn. Nun wird Sabine Kunst die zweite Frau in dieser Position werden. Wer ist Sabine Kunst?
Sabine Kunst stammt aus Schleswig-Holstein. Sie studierte von 1972 bis 1982 in Hannover Biologie, Politologie und Wasserwirtschaft. Sie erwarb einen Doktortitel im Ingenieurwesen und einen zweiten Doktortitel in den Politikwissenschaften, ist Professorin. Dazu kommt die Ehrendoktorwürde der Amerikanisch-Jüdischen Universität Los Angeles.
An der Universität Hannover arbeitete sich die heute 61-Jährige hoch bis zur Vizepräsidentin für Lehre, Studium und Weiterbildung. Von 2007 bis 2011 war Kunst Präsidentin der Universität Potsdam, 2010 wurde sie ausgezeichnet als Hochschulmanagerin des Jahres. In diesem und im folgenden Jahr war sie die erste Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Vorher hatten nur Männer an der Spitze des DAAD gestanden, der den weltweiten Austausch von Studenten und Forschern organisiert.
2011 holte der damalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) im Zuge einer Kabinettsumbildung die parteilose Expertin in seine rot-rote Regierung. Ende 2014 trat Sabine Kunst in die SPD ein - und es schien so, als würde sie mindestens bis zur nächsten Landtagswahl 2019 Ministerin bleiben. Doch dann kam ganz kurzfristig und überraschend die Anfrage aus Berlin und sie sagte zu.
Sabine Kunst wird als zielstrebig und durchsetzungsfähig beschrieben und hat dies mehrfach unter Beweis gestellt. Keine guten Erinnerungen an Kunst hat die linksalternative Studentenszene Potsdams. Zumindest in Teilen dieser Szene galt sie als neoliberale Reformerin und dieser schlechte Ruf eilte ihr nun sehr schnell nach Berlin voraus. Von Studiengebühren will sie zwar nichts wissen. Das hat sie versichert. Aber aktuell gibt es auch keine ernsthafte Diskussion über solche Gebühren. Berliner Studentenvertreter schätzen Kunst so ein, dass sie keine prinzipiell politischen Einwände gegen Studiengebühren hätte, wenn es ihrer Überzeugung nach der Entwicklung der Universität dienen würde.
Dabei hören sich die Versprechungen der künftigen Universitätspräsidentin sehr gut an. »Die Studierenden stehen für mich im Mittelpunkt«, sagt sie. »Eine exzellente Universität muss sowohl in Forschung als auch Lehre höchstes Niveau bieten.« Dazu gehöre für sie eine optimale Beratung vom Anfang bis zum Ende des Studiums. Ansonsten will sie ein offenes Ohr haben für die Sorgen der verschiedenen Statusgruppen - der Studenten, der Professoren und der übrigen Mitarbeiter.
77,6 Prozent der Professoren an der Humboldt-Universität sind Männer. Als Chefin bekommen sie nun eine Frau, die sich als Hochschulmanagerin von niemandem etwas vormachen lässt.
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