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Gute Energie und gute Arbeit?

In der Windenergiebranche mag manche Firma keine Gewerkschaften

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Mobbt der führende deutsche Windkraftanlagenhersteller Enercon seine Betriebsräte? Klären soll das ein Prozess in Ostfriesland. Der Unternehmensverband hält davon allerdings wenig.

Dieser Prozess gegen Enercon sprengt den Rahmen: Weil der Hauptsaal im Arbeitsgericht Emden zu klein ist, um den erwarteten Besucherstrom aufzunehmen, hat Richterin Christel Smid den Auftakt des Verfahrens am Donnerstag in die Aula der benachbarten Gesamtschule verlegt. Schon zum gescheiterten Gütetermin im Sommer waren siebzig Prozessbeobachter erschienen.

Mitarbeiter des Enercon Gusszentrums GZO klagen gegen den in Ostfriesland beheimateten Windkraftkonzern. Sie sehen ihre innerbetriebliche Versetzung als eine Bestrafung für die Tätigkeit im Betriebsrat. Die Gewerkschafter fühlen sich benachteiligt und gemobbt. Die Enercon-Geschäftsführung und der Betriebsratsvorsitzende Manfred Hayen weisen die Kritik in einer gemeinsamen Erklärung allerdings als »Kampagnenpolitik« zurück: Bei der Versetzung der fünf Arbeitnehmer handele es sich um einen regulären, ordnungsgemäßen betrieblichen Vorgang.

Mit dem laut Firmenangaben größten Windenergieanlagenbauer in Deutschland gibt es auch im Osten »Schwierigkeiten«, berichtet ein Sprecher der Industriegewerkschaft Metall: So sei erst im Januar ein langfristiger Arbeitsgerichtsprozess zugunsten des Betriebsrates Nils-Holger Böttger entschieden worden.

Branchenkenner beobachten dahinter eine Strategie der Geschäftsführung des Unternehmens, das einer Familienstiftung des Firmengründers Aloys Wobben gehört. Ohnehin in Dutzende formal selbstständige Unternehmen aufgespalten, werden Enercon-Betriebe ab einer bestimmten Größe wieder auseinandergegliedert, um bestehende Grenzen des Mitbestimmungsgesetzes nicht zu überschreiten. Enercon entzieht sich zudem der Tarifverträge. Nur in wenigen Betrieben gibt es Betriebsräte.

»Wenn man sich die Branche in Gänze anguckt, sind die Erfahrungen aber sehr unterschiedlich«, sagt Heiko Messerschmidt, Windenergieexperte der IG Metall. Das Firmenspektrum reiche von schnell groß gewachsenen wie Enercon, die versuchten, die Metallgewerkschaft draußen zu halten. Es gebe aber auch traditionsreiche Unternehmen wie Siemens, die jahrzehntelange Erfahrungen mit Mitbestimmung haben. Siemens will eine Turbinenproduktion mit 1000 Beschäftigten in Cuxhaven aufbauen, »selbstverständlich mit tariflicher Bindung«, sagt Messerschmidt. Das könne positive Wirkungen auf die Arbeitsbedingungen in der ganzen Branche haben, hofft er. Vor drei Jahren konnte die IG Metall auch einen Tarifvertrag mit einer anderen Branchengröße abschließen - der Hamburger Windenergieanlagenbauer Senvion, früher Repower.

Inzwischen scheint die Mehrheit der Windmüller erkannt zu haben, dass zu guter Energie auch gute Arbeit gehört: »Wir arbeiten seit langem gut mit der IG Metall Küste zusammen«, sagt ein Sprecher des Bundesverbandes Windenergie (BWE) in Berlin. Was von der Gewerkschaft bestätigt wird. Erst im Dezember nahm BWE-Präsident Hermann Albers an einer Betriebsrätekonferenz in Hamburg teil: »Qualifizierte, fair bezahlte Arbeit wird mehr und mehr das Markenzeichen der Windindustrie von Herstellung bis zu Service und Wartung«, hieß es dort.

Die Produzenten von Windmühlen gehören zu den Gewinnern der Energiewende. Noch nie wurde in Deutschland so viel Windstrom produziert. Aus ihnen entsteht schon mehr als ein Drittel des deutschen Stroms. Seit die Industrie sich zu einer Hochtechnologiebranche gemausert hat, ist die Angst vor der Konkurrenz aus China gewichen. Und man expandiert, auch international. Nordex, die Nummer zwei auf dem Weltmarkt hinter der dänischen Vestas, übernimmt die Windsparte des spanischen Bauunternehmens Acciona, um das Geschäft in den Schwellenländern auszubauen. Die Spanier werden im Gegenzug Großaktionär. Allein in Rostock beschäftigt Nordex 2000 Menschen.

Die vierte Branchengröße Senvion wurde im vergangenen Jahr von der indischen Suzlon Energy gekauft. Nach schwierigen Jahren mit Stellenstreichungen, Werksschließungen und veralteten Produkten spüren die Anlagenbauer Aufwind. Der derzeitige Boom hängt allerdings mit den staatlichen Rahmenbedingungen zusammen. Die dürften sich 2017 ändern. Deshalb werden viele Investitionen vorgezogen.

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