Zwei nette Nazis

Freitags Wochentipp: »Familie Braun«

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.
Eigentlich verspricht der Name nichts Gutes. Mit »Familie Braun« zeigt das ZDF jedoch eine Kurzfilmreihe über zwei Neonazis, die es schafft zwischen platt und belehrend eine kluge Studie der Zeit zu liefern.

Ob die gute alte, angeblich goldene Zeit des Fernsehens wirklich so gut wie alt, geschweige denn golden war, wird man erst mit mehr Abstand zur angeblich unguten neuen, also blechernen Zeit beurteilen können. Tatsache ist, dass die ältere Zeit mit jedem Abschied einer prägenden Figur von früher tatsächlich alt, aber eben auch ein bisschen goldener erscheint. Wer sich heute zum Beispiel auf Youtube »Am laufenden Band« ansieht, überdenkt womöglich ein paar Hymnen auf den guten alten Rudi Carrell. Aber verglichen mit Johannes B. Kerner? Platin! Nun aber ist einer abgetreten, der jene TV-Epoche nicht geprägt, sondern regiert hat: Wolfgang Rademann.

Seit den analogen 1960ern begeisterte er sein Publikumsvolk mit großen Stars (Catarina Valente), riesigen Shows (Peter Alexander), verrückten Paaren (Juhnke/Boettcher), großen Pötten (Traumschiff) und natürlich ihr, Urmutter erfolgreicher Niveauvernichtung: Schwarzwaldklinik. Unter seiner Führung wurde selbst die digitale Gegenwart noch mit derart seichter Unterhaltung bespaßt, dass es Abermillionen von Zuschauer bis zuletzt nicht störte, wenn Kreuzfahrtschiffe im ewigen Sonnenlicht plötzlich vom Ex-Steward gelenkt werden. Vor einer Woche ist Wolfgang Rademann mit 81 Jahren gestorben und die gute alte Zeit langsam lange genug her, um sie durch die schlechte neue Zeit zumindest mittelmäßig erscheinen zu lassen.

Was wäre da geeigneter als das Internet, wo noch ein Wagemut möglich ist, dem die Rademanns schon ewig abgeschworen haben. Online nämlich hat das ZDF bereits am vergangenen Wochenende eine Serie gestartet, die erst am kommenden Freitag ins reguläre Nachtprogramm wechselt: »Familie Braun«. Klingt nach dicker ARDZDF-Soße mit Sättigungsbeilage, ist aber eine Kurzfilmreihe um zwei Neonazis, denen das sechsjährige Ergebnis eines besoffenen One-Night-Stands vor die Tür gestellt wird. »Ich werd nach Eritrea abgeschoben«, gibt die Mutter der NS-WG noch mit in die Vaterschaft, lacht »Ausländer raus« hinterher und zack, haben zwei rechtextreme Reifeverweigerer ein dunkelhäutiges Problem, das in zweierlei ausarten könnte: strunzblöden Politslapstick oder peinliches Belehrungsfernsehen.

Das Ergebnis jedoch liegt so elegant in der Mitte beider Pole, dass man nach achtmal fünf Minuten einfach nur mehr will von dieser hochpräzisen, todernsten, witzigen Studie eines akuten Notstands in Zeiten von Pegida und AfD. Maurice Hübners Miniserie nach dem tollen Buch von Manuel Meimberg strotzt nämlich nur so vor entlarvender Lebensklugheit, ohne seine Figuren bloßzustellen - nicht Papa Thomas (Edin Hasanovic), der zum Fasching ein Maikäferkostüm aus seiner Hakenkreuzfahne bastelt; nicht sein genervter Mitbewohner (Vincent Krüger), der bei aller Situationskomik aus Frust doch irgendwann irgendwen zusammentritt, und schon gar nicht Lara (Nomie Lane Tucker), die den Faschos mit kindlicher Arglosigkeit das eigene Gedankengut um die Ohren haut. Das ist so schlau, so gelungen - kein Wunder, dass es das ZDF um 23 Uhr versendet. Vorher gibt’s Krimis aus der Rademann-Schule.

ZDF, 12.2., 23 Uhr

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