Zeugnis demokratischer Reife in Bolivien
Martin Ling über die Entscheidung der bolivianischen Bevölkerung, eine vierte Amtszeit für Morales auszuschließen
Es ist ein Zeugnis demokratischer Reife: Mindestens die Hälfte der bolivianischen Bevölkerung will an der Verfassung, die sie 2009 per Referendum mit klarer Mehrheit guthieß, keine substanziellen Abstriche vornehmen. Das gilt selbst dann, wenn das offizielle Endergebnis noch auf das von der Regierung proklamierte »technische Unentschieden« hinausliefe.
Die Grundaussage ist eindeutig: So beliebt der Präsident Evo Morales auch ist – auch er soll sich bitte schön an die Magna Charta halten, die neben der Landreform und der Verstaatlichung der Ressourcen zu den drei Grundpfeilern seiner bei Amtsbeginn 2006 versprochenen Neugründung Boliviens gehört. Und diese Verfassung schreibt maximal zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten des Staatsoberhauptes fest. Seit die Verfassung in Kraft ist, wurde Morales bereits zwei Mal – 2009 und 2014 – wieder gewählt.
Die Absage an eine Wiederwahlmöglichkeit für Morales 2019 ist keine Absage an dessen grundlegender Politik: Dass inzwischen 75 Cent pro Petro- oder Gasdollar im Land bleiben und nicht 75 Cent ins Ausland fließen wie unter seinen Vorgängern, wird von einer klaren Mehrheit ebenso begrüßt wie die dadurch ermöglichten Investitionen in die soziale Wohlfahrt und Armutsbekämpfung. Dass Macht korrumpiert und absolute Macht absolut korrumpiert, ist eine Tendenz, die auf jedes Land der Welt zutrifft. In Bolivien teilen diese Auffassung auch Anhänger von Evo Morales. Das ist ein gutes Zeichen.
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