Machtkampf um Indochinas Lebensader
Anrainerstaaten streiten um Ressourcen des Mekong / China kündigt Hilfe für von Dürre bedrohte Nachbarn an
Der Mekong schnurrt zu einem Rinnsal zusammen. Die Station Nakhon Phanom im Nordosten Thailands meldete kürzlich einen Wasserstand von gerade einmal 1,22 Meter. Thailand erklärte mehr als 4000 Dörfer zu Dürregebieten. Die Staubecken des Landes maßen den niedrigsten Wasserstand seit 1994. Im vietnamesischen Mekongdelta sind eine halbe Million Hektar Reisfelder von Dürre und Versalzung durch Meerwasser bedroht. Kein Regen ist in Sicht und trotzdem zeigen die Wasserstandsprognosen der »Mekong River Commission« (MRC) mit einem Mal optimistisch nach oben. Der Grund dafür liegt weiter im Norden.
Am Dienstag hatte Lu Kang, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, auf der wöchentlichen Presskonferenz seines Amtes angekündigt, dass die Volksrepublik China einer Bitte der vietnamesischen Regierung nachkommen und zwischen März und April Wasser aus dem Jinhong-Stausee ablassen werde. Jinhong ist die südlichste einer ganzen Kaskade von Stauanlagen am Mekong, der in China entspringt und dort Lancang heißt. Das 1750 Mega-Watt-Kraftwerk mit seinem 510 Quadratkilometer großen Stausee liegt rund 75 Flusskilometer von der Grenze zu Myanmar. Lu Kang hatte zu dem chinesischen Schritt gesagt: »Es steht außer Frage, dass Freunde einander helfen, wenn Hilfe nötig ist.« Für die außergewöhnliche Dürre machte er das Wetterphänomen »El Niño« verantwortlich.
Eine Sprecherin des vietnamesischen Außenministeriums beeilte sich, die chinesische Aktion zu begrüßen. Bisher seien schon 140 000 Hektar Reisfelder durch Dürre und Versalzung geschädigt. Halte die Trockenheit bis Juni an, so heißt es, könne diese Zahl auf eine halbe Million Hektar steigen. Vietnams Position als größter Reisexporteur der Welt steht auf dem Spiel.
Doch was sich wie ein traditioneller Freundesdienst ausnimmt, wird von heftigem Gerangel vor und hinter den Kulissen begleitet. Der Streit um das Wasser des Mekong schwelt schon lange und gelegentlich flammt er auch in hitzigen Wortgefechten auf. Etwa, als Laos dem chinesischen Vorbild folgte und 2012 mit dem Bau seines ersten Kraftwerks am Hauptstrom des Mekong in der nördlichen Provinz Sayaboury begann. Erst kürzlich sorgte auch Thailand zumindest für Irritationen, als die Militärregierung verlauten ließ, Wasser aus dem Mekong abzuzweigen und in die Dürreregionen des Landes zu leiten. Das, so verlangen die Regularien der MRC, erfordert allerdings das Einverständnis der anderen Mitgliedsländer Kambodscha, Laos und eben Vietnam, das wohl am ärgsten unter der Dürre leidet. Denn sind Felder erst einmal versalzen, bleiben sie es für längere Zeit.
Von der MRC allerdings ist nichts zu hören. Das könnte künftig öfter der Fall sein, denn die Organisation selbst droht im wahrsten Sinne des Wortes auszutrocknen. Seit ihrer Gründung von internationalen Gebern alimentiert, sehen diese inzwischen wenig Initiative der Anrainer, die Geschicke der seit den 1950ern existierenden Organisation selbst in die Hand zu nehmen. Hinzu kommt die Unzufriedenheit der traditionellen Unterstützer Australien und Japan über die mangelnde Transparenz der Organisation in finanziellen Dingen. So muss der MRC nun versuchen, mit viel weniger Geld als in der Vergangenheit auszukommen.
Doch auch in dieser Hinsicht winkt Hilfe aus dem Norden. In seiner Ankündigung der »Wasser-Marsch-Order« hatte Lu Kang nicht vergessen darauf hinzuweisen, dass die Geschicke der Region immer stärker durch den im letzten Jahr auf den Weg gebrachten »Mekong-Lancang Kooperationsmechanismus« (LMC) bestimmt werden. Dessen erstes Treffen hat nun stattgefunden. Die sechs Staats- oder Regierungschefs Chinas, Kambodschas, Laos’, Myanmars, Thailands und Vietnams einigten sich dabei auf zahlreiche Maßnahmen, darunter auch die Einrichtung eines Zentrums für die Koordinierung der Nutzung der Wasserressourcen des Lancang/Mekong in China.
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