Gedenkboykott von Jasenovac
Protest der jüdischen Gemeinschaft gegen die Verharmlosung der Verbrechen des kroatischen Ustascha-Regimes
Alljährlich am 22. April treffen sich Angehörige von Opfern und Überlebende unter dem Denkmal der Steinernen Blume im kroatischen Jasenovac - dem einzigen nicht von Deutschen geführten nationalsozialistischen Vernichtungslagers im Zweiten Weltkrieg.
Mindestens 83 000 von der Gedenkstätte namentlich erfasste Menschen verloren in dem größten Konzentrationslager des Vasallen-Staats »Unabhängiger Staat Kroatien« (NDH) des faschistischen Ustascha-Führers Ante Pavelic ihr Leben. Mehr als die Hälfte der Opfer waren Serben, ein Fünftel Roma, ein Sechstel Juden, die übrigen Kroaten. Doch dieses Jahr wird Kroatiens Jüdische Gemeinschaft die Feierlichkeiten zum 71. Jahrestag des letzten Ausbruchsversuchs verzweifelter Lagerinsassen boykottieren.
Der Grund für den jüdischen Protest: Verärgert wirft die Minderheit Kroatiens neuer Rechtsregierung vor, der Verharmlosung der Verbrechen des Ustascha-Regimes gezielt Vorschub zu leisten. Von »täglichen politischen Ereignissen«, die zum Ziel hätten, »das Vermächtnis der Ustascha zu relativieren und zu revitalisieren«, spricht empört Sanja Tabakovic Zoricic vom Komitee der Jüdischen Gemeinschaften in Kroatien.
Die Verärgerung entzündet sich vor allem an dem umstrittenen Kulturminister Zlatko Hasanbegovic. Schon als Student verherrlichte der heute 42-Jährige in Texten für nationalistische Publikationen die Ustascha, mit deren Kappe er selbst auf Fotos posierte. Im Sommer erklärte der Historiker in einer Fernsehsendung, dass in Jasenovac nicht der Opfer gedacht werde, sondern die Gedenkfeier nur dazu missbraucht werde, die Verbrechen des jugoslawischen Kommunismus zu »rehabilitieren«.
Doch es war vor allem die Reaktion des Ministers auf die Premiere der Dokumentation »Jasenovac - die Wahrheit« zu Wochenbeginn, die Kroatiens Juden entrüstet. Als »besten Weg«, sich mit den »Tabuthemen« der kroatischen Geschichte zu beschäftigen, bezeichnete Hasanbegovic den Film, der die Opferzahlen in Jasenovac als völlig überzogen und das KZ als reines Arbeitslager bezeichnete. Ähnliches hatte zu Zeiten der Jugoslawienkriege der 90er Jahre auch Kroatiens Staatsgründer Franjo Tudjman behauptet.
Der Film wiederhole die klar widerlegte These, dass Jasenovac ein Straflager ohne Massenexekutionen gewesen sei, ärgert sich der Holocaust-Überlebende und Historiker Slavko Goldstein. Wegen seines kürzlich erschienenen Buchs über Jasenovac hatte sein Zagreber Verlag Faktura erstmals Drohungen rechtextremer Organisationen erhalten. Auf Kritik bei Kroatiens Juden stößt auch die Dauerausstellung in Jasenovac, die ihrer Meinung das KZ eher als Sammel- und Arbeitslager, denn als Vernichtungslager darstelle.
Verbittert zeigt sich die jüdische Gemeinschaft vor allem über fehlende Reaktionen der Ministerriege in der Ehrenloge, als beim Fußball-Länderspiel gegen Israel im März die Fans in Osijek wieder lautstark den Ustascha-Gruß »Für die Heimat bereit« oder »Auf geht’s Ustascha!« skandierten. Die faschistischen Slogans würden als »Ausdruck der Heimatliebe« aufgefasst, empört sich Efraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums. »In Deutschland würde dies nie toleriert.« In Kroatien können selbst reuelose Überzeugungstäter mit rascher Rehabilitation rechnen. Der frühere Nationalkicker Josip Simunic, der nach dem Skandieren des Ustascha-Grußes vom Weltverband FIFA für die Weltmeisterschaft 2014 gesperrt worden war, saß in Osijek als Assistenztrainer auf der Trainerbank.
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