Wissen allein reicht oft nicht
Eine Studie zeigt: Ob jemand den Klimawandel in Zweifel zieht, hängt eher von seiner politischen Einstellung ab als von der Kenntnis der Fakten
Wo Donald Trump auftritt, geht es gewöhnlich rüpelhaft zu. Barack Obama sei ein Idiot, tönte der Multimilliardär und mögliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner im Dezember 2015 auf einer Wahlkampfveranstaltung in Manassas (US-Bundesstaat Virginia). Denn der Präsident der USA halte die Erderwärmung für eine größere Bedrohung als den radikalen Islam. »Ich glaube nicht an den Klimawandel«, bekräftigte Trump in einem CNN-Interview. »Wetter ändert sich nun mal. Es gibt Stürme und Regen und es gibt schöne Tage.« Es sei daher ein Fehler, US-Unternehmen Auflagen zu machen. Im Übrigen tue auch China nichts, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Vermutlich handele es sich bei der ganzen Klimadebatte nur um eine »gemeine Erfindung« der Chinesen, deren Ziel es sei, die Wirtschaftskraft Amerikas zu schwächen.
Hatten viele Europäer geglaubt, dass mit der Regierung von George W. Bush die politische Kultur der USA an ihrem Tiefpunkt angelangt sei, zeigt Trump nun, dass es noch tiefer geht. In Sachen Klimawandel allerdings spricht er im Wesentlichen nur aus, was die Mehrheit seiner Landsleute denkt. Nach einer repräsentativen Umfrage halten lediglich 45 Prozent der US-Amerikaner den Klimawandel für ein »sehr ernstes Problem«. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 55, in Afrika 61 und in Lateinamerika 74 Prozent. Dass sie durch die Folgen der Erderwärmung persönlich geschädigt werden könnten, befürchten in den USA 30 Prozent. Die Umfrage offenbarte aber auch bemerkenswerte Unterschiede, zum Beispiel zwischen den Geschlechtern. So zeigten sich 51 Prozent der befragten Frauen in den USA über den Klimawandel beunruhigt. Bei den Männern waren es nur 39 Prozent. Deutlich wurde zudem, dass sich US-Amerikaner im Alter von 18 bis 29 Jahren und solche mit einem Jahreseinkommen unter 50 000 Dollar weitaus mehr Sorgen über die Erderwärmung machen als Menschen über 50 und Besserverdienende mit einem Jahreseinkommen von mehr als 50 000 Dollar.
In den USA gebe es inzwischen ein regelrechtes Netzwerk der Klimaskeptiker, erklärte Justin Farrell, Soziologe an der Yale University, unlängst im britischen Fachjournal »Nature Climate Change« (DOI: 10.1038/ nclimate2875). Zahlreiche Lobbyorganisationen und Think Tanks versuchten mit Desinformationen und Halbwahrheiten die Ergebnisse der wissenschaftlichen Klimaforschung zu konterkarieren. »Diese Kampagne ist so erfolgreich, dass normale Amerikaner kaum mehr wissen, worauf sie überhaupt noch vertrauen können.« Namentlich der Mineralölkonzern ExxonMobil sowie die Family Foundation der konservativen Brüder Charles und David Koch hätten in den letzten Jahrzehnten Lobbyorganisationen mit zig Millionen finanziert, um in den USA den Zweifel an der von Menschen gemachten Klimaveränderung zu befördern. Farrell untersuchte über 60 000 veröffentlichte Texte und Zeitungsbeiträge aus den Jahren 1993 bis 2013. Mittels Computer wertete er die Daten aus und kam dabei zu dem Schluss, dass es den großen Finanziers der Klimaskeptiker erfolgreich gelungen sei, ihre »Informationen« in der Öffentlichkeit zu verbreiten - und zwar durch die Strategie der Polarisierung. Hierbei erwecken »Experten« den Anschein, als würden bestimmte Fragen der Klimaentwicklung nach wie vor kontrovers diskutiert. Dadurch wiederum sehen sich viele Medien veranlasst, beide Seiten der vermeintlichen Debatte zu Wort kommen zu lassen. Das gebe den Klimaskeptikern mehr Raum und verzögere notwendige politische Entscheidungen, so Farrell.
Die Frage, warum Menschen den Argumenten der Klimaskeptiker oft so bereitwillig folgen, beschäftigt Soziologen schon seit Längerem. Zwar spielen, wie die oben erwähnte Umfrage nahelegt, Geschlecht, Alter und Einkommen hierbei eine Rolle. Den größten Einfluss auf die Einstellung zum Klimawandel haben jedoch ideologische Faktoren. So jedenfalls lautet das Ergebnis einer Meta-Analyse von 196 Studien und Umfragen aus 56 Ländern, die ein Forscherteam um Matthew Hornsey von der University of Queensland in Brisbane erstellt hat. Wie die australischen Wissenschaftler in »Nature Climate Change« (DOI: 10.1038/ nclimate2943) mitteilen, berücksichtigten sie bei der Auswertung der Daten insgesamt 27 Variablen, von denen man gemeinhin annimmt, dass sie die Einstellung von Menschen zum Klimawandel beeinflussen. Dazu gehören neben den genannten soziodemografischen Faktoren auch der Bildungsabschluss, das vorhandene Wissen um Klimaprozesse und persönliche Erfahrungen mit extremen Wetterereignissen.
Der Einfluss all dieser Faktoren auf die Einstellung zum Klimawandel ist laut der Analyse relativ gering. Es bringe auch wenig, Skeptiker durch Fakten oder Erklärungen »bekehren« zu wollen, denn die Klimaentwicklung sei ein komplexes und schwer zu durchschauendes Phänomen, betonte Hornsey in einem Interview mit der Tageszeitung »Sydney Morning Herald«. Zwar hielten viele Menschen die Methoden der Wissenschaft für tragfähig, andere jedoch folgten eher ihrem Bauchgefühl, das stark von Werten und politischen Vorlieben abhängig sei.
Ein Beispiel: Wenn jemand konservative Parteien wählt, die freie Marktwirtschaft für gerecht hält, Hierarchien befürwortet und regulierende Interventionen des Staates ablehnt, dann ist laut Hornsey die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass er die mit dem Klimawandel verbundenen Probleme geringschätzt oder negiert. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums findet man dagegen mehr Sensibilität für die Gefahren der menschengemachten Erderwärmung. Das bedeute allerdings nicht, so Hornsey, »dass Menschen, die den anthropogen verursachten Klimawandel faktisch akzeptieren, auch ihr Handeln danach ausrichten«. Zwar engagieren sich viele bei grünen Aktionen, unterzeichnen entsprechende Petitionen oder nehmen an Demonstrationen teil. Ihr privates Leben verändern jedoch nur wenige. Zu groß sind gewöhnlich die Nachteile, die man dafür in Kauf nehmen muss. Häufig fehlen aber auch die Alternativen. Wer etwa beruflich auf das Auto angewiesen ist, wird nur dann darauf verzichten, wenn ihm der öffentliche Nahverkehr ähnlich gute Möglichkeiten bietet.
Eines hat die jetzt veröffentlichte Meta-Analyse deutlich gezeigt: Ein Mehr an Informationen ist nur bedingt geeignet, mehr Menschen von den Risiken des Klimawandels zu überzeugen. Man müsse psychologisch geschickter vorgehen, erklärte Hornsey gegenüber der »Washington Post« und empfahl, die Erkenntnisse der Klimaforschung so zu formulieren, dass sie sich besser mit konträren Weltanschauungen verbinden ließen. Notfalls sei es sogar ratsam, die schädlichen Folgen der Erderwärmung als Bedrohung der nationalen Sicherheit darzustellen. Ein solcher Notfall könnte eintreten, falls Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA gewählt werden sollte.
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