Appell fordert »radikales politisches Umsteuern«

Gewerkschafter, linke Intellektuelle und rot-rot-grüne Politiker werben für Kurswechsel gegen Rechtsruck, rassistische Spaltung und Festung Europa

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.

In einem gemeinsamen »Appell zum Umsteuern« rufen Gewerkschafter, Intellektuelle und Politiker aus SPD, Linkspartei und Grünen zu einem »radikalen« Kurswechsel hin zu einem solidarischen, demokratischen und sozialen Europa auf. »Aus dem Flüchtlingsdrama ist eine politische Zerreißprobe geworden«, heißt es in dem Papier, das davor warnt, dass Europa »zwischen nationalistischen Egoismen und menschenfeindlicher Abschottungspolitik zerrieben« wird. Auch die Bundesregierung stehe »vor einer gigantischen Herausforderung«. Diese könne nur gelöst werden, wenn »ein zukunftsfähiges, gerechtes und starkes Gemeinwesen« wieder aufgebaut werde. »Da aber die für ein solches Umdenken und Umsteuern notwendige Konsequenz bisher fehlt, entsteht ein Klima, in dem Sorgen in Ängste verwandelt werden.« Dies stärke auch »rückwärtsgewandte, fremdenfeindliche, völkische und rechtsnationalistische Parteien« in Deustchland wie in Europa.

Ein »radikales politisches Umsteuern« sei nötig, so die Unterzeichner, zu denen zahlreiche Bundestagsabgeordnete und Politiker von SPD, Linkspartei und Grünen ebenso zählen wie führende Gewerkschafter von ver.di und IG Metall, Vertreter von Hilfsorganisationen und linken Netzwerkern sowie linke Intellektuelle. »Der Kurswechsel beginnt mit einem großen humanitären Sofortprogramm Europas«, heißt es weiter. Die »beschämende Unterfinanzierung der UN-Hilfsorganisationen« müsse beendet werden, es brauche zudem »geordnete Fluchtwege und legale Einreisemöglichkeiten nach Europa«. Die völkerrechtswidrige Abschottung Europa soll gestoppt werden, da sie »die europäischen Werte mit Füßen« tritt.

Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der Forderung nach einem »Ausbruch aus der Sackgasse der Austerität«. Statt Geld »in Grenzregime, Mauern und Stacheldraht zu stecken, sollte endlich konstruktiv an die Bewältigung der riesigen Herausforderung für Europa herangegangen werden«, so der Appell. Dazu müssten EU-Staaten »ermutigt und finanziell in die Lage versetzt werden, solidarisch und entsprechend dem Völkerrecht Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren«. Gefordert wird »ein gemeinsames, zum Beispiel durch Projektbonds finanziertes Sonderprogramm für Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser und Arbeitsplätze«. Dies könnte zugleich »ein Beitrag zu einer europäischen Investitionsinitiative« sein, die ausdrücklich gegen die »von der Bundesregierung dogmatisch verteidigten Regeln« des Fiskalpaktes richtet.

Auch für die Bundesrepublik fordert der Appell ein »Umsteuern mit Zukunftsinvestitionen«. Eine solidarische Lösung mit und für die Geflüchteten werde nur gelingen, »wenn sie Teil der Erneuerung der sozialen Infrastruktur zugunsten aller hier lebenden Menschen ist«. Dazu müssten Länder und Kommunen »vom Bund in einem Umfang finanziell unterstützt werden, der sie in die Lage versetzt, dringende Zukunftsinvestitionen in Angriff zu nehmen«. Es gehe um Bildung, Infrastruktur, Wohnungen und Soziales. Die notwendigen Investitionen dürften nicht dem Mantra der »Sparpolitik« geopfert werden. Daher sollten auch Steuerschlupflöcher wirksamer geschlossen und »eine gerechtere Besteuerung vor allem von Kapitaleinkünften und großen Vermögen« umgesetzt werden.

»Die Wahlerfolge der AfD und die vielen rechtsextremen Anschläge dürfen nicht den Blick dafür verstellen, dass die große Mehrheit der deutschen Gesellschaft weiterhin von Hilfsbereitschaft und geistiger Aufgeschlossenheit geprägt ist«, heißt es in dem Appell, der dazu auf »das gesellschaftliche Engagement« vieler verweist, in dem sich »Tatkraft und Erfindungsreichtum« zeige. Dies seien »allemal die stärksten Motoren für sozialen Zusammenhalt und gesellschaftlichen Fortschritt«.

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