Traum von einer guten Nacht

Negative Auswirkungen von Schlafmitteln gefährden vor allem Senioren

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 4 Min.
Schlafproblemen mit Hilfe einer Tablette vorzubeugen, klingt für viele verführerisch. Doch dabei ist Vorsicht geboten: Frei verkäufliche Mittel sind oft gefährlicher als rezeptpflichtige Medikamente.

Derzeit ist eine große Zahl verschiedener Schlaftabletten auf dem Markt. Die meisten davon muss der Arzt verschreiben. Bei Mitteln, die ohne Rezept erhältlich sind, handelt es sich vor allem um pflanzliche Präparate wie Baldriantabletten oder um Antihistaminika. Bei letzteren seien »die Risiken höher als bei vielen verschreibungspflichtigen Schlafmitteln«, sagt Peter Geisler, Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums Regensburg. Zu dieser Wirkstoffgruppe gehören Doxylamin (»Hoggar Night«, »Schlafsterne«) und Diphenhydramin.

Solche Mittel machen schläfrig, indem sie den Einfluss von Histamin, einem wachmachenden Botenstoff im Gehirn, herabsetzen. In erster Linie werden mit Antihistaminika Allergien behandelt - um sie als Schlafmittel zu verwenden, hat man sich eine unliebsame Nebenwirkung älterer Anti-Allergika, nämlich dass sie müde machen, zunutze gemacht.

Geisler zufolge können Antihistaminika dabei helfen, schneller einzuschlafen. »Das Schlafmuster verändert sich dadurch nicht sehr«, sagt er. Außerdem schätzen Experten das Risiko, von diesen Mitteln abhängig zu werden, als gering ein. Dafür können Antihistaminika erhebliche Nebenwirkungen haben. So erklärt Prof. Markus Schwaninger vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Lübeck: »Sie werden vom Körper nur langsam abgebaut, so dass man sich manchmal noch am nächsten Tag matt fühlt.« Außerdem blockierten die Wirkstoffe den Neurotransmitter Acetylcholin. Dadurch kann es - vor allem bei hohen Dosen - zu Konzentrationsstörungen bis hin zu Verwirrtheitszuständen kommen.

»Vor allem alte Leute sollten bei der Einnahme von Antihistaminika vorsichtig sein«, betont Schwaninger. Wegen der Überhangeffekte könne es leichter zu Stürzen kommen, auch das Autofahren werde gefährlich. Hans-Günter Weeß von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin hält auch den Nutzen für begrenzt. An grundlegenden Schlafproblemen änderten die Mittel nichts. In seinen Therapiegruppen hätten fast alle Teilnehmer Selbstbehandlungsversuche mit Antihistaminika hinter sich. Den wenigsten halfen sie längerfristig.

Bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten sind Benzodiazepine und so genannte Z-Substanzen wie Zopiclon und Zolpidem (Benzodiazepin-Rezeptoragonisten) am gängigsten. Die Mittel wirken im allgemeinen gut, haben aber auch ein weites Spektrum an Nebenwirkungen. Benzodiazepine können beispielsweise die Atmung beeinträchtigen und sind für Asthmatiker und Menschen, die im Schlaf Atemaussetzer haben (Schlaf-Apnoe), gefährlich. Einen schlechten Ruf haben die »Benzos« aber vor allem, weil sie abhängig machen können. Nach einer Weile gewöhnt sich der Körper an die Mittel, sie wirken nicht mehr. Das verleitet dazu, die Dosis immer weiter zu steigern und in eine Spirale körperlicher Abhängigkeit zu geraten. Neue »Z-Substanzen« gelten als harmloser.

Schwaninger zufolge wirken sie ähnlich wie Benzodiazepine, manche Wirkungen fallen aber geringer aus. So sind Überhang-Effekte am nächsten Tag seltener, das Abhängigkeitspotenzial geringer. Dennoch gilt für diese wie für alle klassischen Schlafmittel: Sie sollten nicht länger als vier Wochen genommen werden. Eine längerfristige Einnahme verändert das Schlafmuster, sagt Weeß: »Das kann dazu führen, dass der Tiefschlaf völlig unterdrückt wird.« Wenn Patienten über längere Zeit Schlafmittel brauchen, verordnen Ärzte auch Antidepressiva oder Neuroleptika, die ebenfalls dämpfend wirken. Sie machen nicht so schnell abhängig, haben aber deutlich mehr Nebenwirkungen.

Die harmlose, zuverlässige Schlaftablette bleibt ein Traum. Zwar gibt es ein paar Präparate, die als ungefährlich gelten, doch sind sie nur schwach wirksam. Dazu gehört Melatonin, das Menschen ab 55 Jahren als Schlafmittel (Handelsname »Circadin«) verschrieben werden kann. Das Hormon, das der Körper bei Dunkelheit ausschüttet, sorgt für abendliche Müdigkeit. Melatoninzufuhr soll vor allem bei Jetlag helfen, wieder zu einem geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus zu finden. Möglicherweise profitieren vor allem Senioren davon, weil der Körper im Alter weniger von dem Stoff produziert.

Schlafmediziner Geisler hält es für ein eher unproblematisches Mittel gegen leichte Schlafstörungen. »In den USA schlucken Millionen von Menschen Melatonin«, sagt er. »Wenn es größere Risiken und Nebenwirkungen hätte, gäbe es Prozesslawinen.« Als sichere Arznei für leichte Fälle beurteilt Geisler auch die Aminosäure L-Tryptophan. Aus diesem Stoff, der in Cashewkernen, Sojabohnen, Käse vorkommt, wird im Gehirn der Botenstoff Serotonin gebildet, der wichtig für die Melatoninproduktion ist.

Keine Bedenken zu haben braucht man bei pflanzlichen Präparaten mit Baldrian, Hopfen oder Melisse. Sie haben so gut wie keine Risiken. Ob sie wirken, ist nicht klar - nur für Baldrian- und Baldrian-Hopfen-Präparate belegen das einzelne Studien.

In manchen Situationen, etwa bei extremem Stress oder starker psychischer Belastung, können Schlaftabletten eine große Hilfe sein. »Sie sind aber nur eine symptomatische Therapie, keine dauerhafte Lösung«, sagt Weeß. Auch sollte niemand alte Tabletten aufbrauchen. Schließlich kann das, was damals unproblematisch war, inzwischen riskant sein - etwa weil man mittlerweile eine Schlaf-Apnoe entwickelt hat.

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