»Praxenland« steht unter Druck

Es gibt eigentlich mehr ambulante Ärzte, aber immer mehr von ihnen arbeiten Teilzeit

  • Sascha Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Passende Räumlichkeiten sind eines der geringeren Probleme in der ambulanten Versorgung. Viel wichtiger: Wo sind die nötigen Ärzte zu finden?
Passende Räumlichkeiten sind eines der geringeren Probleme in der ambulanten Versorgung. Viel wichtiger: Wo sind die nötigen Ärzte zu finden?

Die Zahl der Praxisärzte in Deutschland nimmt weiter zu – die Behandlungskapazitäten für die Patienten ist aber regional unterschiedlich. Ende vergangenen Jahres waren 189 551 Ärzte sowie Psychotherapeuten mit Kassenzulassung tätig – 2110 mehr als Ende 2023. Zugleich stieg jedoch der Anteil der Mediziner mit Teilzeitbeschäftigung von durchschnittlich 35,8 Prozent auf 37,9 Prozent. Das geht aus einer Auswertung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor. 

KBV-Chef Andreas Gassen dazu: »Noch ist Deutschland Praxenland.« Doch klar sei auch: »Die Ressource Arztpraxis ist kein Selbstläufer, und die Ressource Arztzeit bleibt ein knappes Gut.« Immer mehr junge Mediziner entschieden sich für eine Anstellung statt einer eigenen Praxis oder für Arbeit in Teilzeit. Das führt dazu, dass die Zahl der Ärzte stärker steigt als die tatsächliche Behandlungskapazität. Denn einen vollen Arztsitz zur Versorgung gesetzlich Versicherter können sich zum Beispiel zwei Ärztinnen teilen.

Das Angebot unterscheidet sich weiterhin je nach Region. Bundesweit am dichtesten ist das Netz in Heidelberg mit 413,5 Ärzten und Psychotherapeuten je 100 000 Einwohner, so Daten des Bundesarztregisters mit Stichtag 31. Dezember 2024. Am wenigsten niedergelassene Mediziner in diesem Verhältnis gibt es mit 88,4 im Landkreis Coburg in Bayern. Auf Länderebene liegt Hamburg mit 310,3 an der Spitze, Schlusslicht ist Brandenburg mit 201,3 Ärzten und Psychotherapeuten je 100 000 Einwohner.

Zur Gesundheitsversorgung in den Regionen tragen die Praxen der Kassenärzte aber nicht alleine bei. Hinzu kommen Krankenhäuser oder Physiotherapeuten, Logopäden und andere Heilberufler. Oft nutzen Patienten aus ländlichen Gegenden Praxen in nahen Ballungsräumen. Und konkret kommt es auch darauf an, wie weit entfernt bestimmte Praxen liegen und wie gut die Anbindung mit Bussen und Bahnen dorthin ist.

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Bei Hausarztpraxen als wichtigen ersten Anlaufstellen hat sich die Entwicklung weiter etwas stabilisiert, wie aus den Daten hervorgeht. Schon Ende 2023 war erstmals seit Längerem kein Rückgang mehr verzeichnet worden. Mit Stand Ende 2024 stieg die Zahl der Hausärztinnen und Hausärzte weiter um 308 auf 55 435 und die Zahl der vollen Hausarztsitze um 47 auf 51 437. Allerdings hatte es zehn Jahre zuvor noch 551 volle Hausarztsitze mehr gegeben. 

Außerdem zeichnet sich schon seit Längerem eine Ruhestandswelle ab, und das heißt vor allem in ländlichen Gebieten: Praxisnachfolge dringend gesucht. Der Altersschnitt bei Hausärzten liegt mit 55,1 Jahren etwas über dem aller Ärzte mit 54,5 Jahren. Vor allem im Westen der Republik ist der Handlungsbedarf dringlicher.

Kassenärzte-Chef Gassen machte angesichts der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD klar, dass es auf die Rahmenbedingungen ankommt, um das Netz zu erhalten. Ein »Regieren an den Niedergelassenen vorbei« könne man sich nicht mehr leisten.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte neben einer großen Krankenhausreform auf den letzten Metern noch ein Gesetz ins Ziel gebracht, das Hausärzten finanzielle Anreize und Vereinfachungen bringt. Das soll den Beruf angesichts von 5000 unbesetzten Hausarztsitzen attraktiver machen und dazu beitragen, dass Kassenpatienten einfacher an Termine kommen. 

In den Koalitionsverhandlungen, bei denen Lauterbach dabei ist, stehen noch konkrete Klärungen an. Denn im schwarz-roten Sondierungspapier als Grundlage heißt es nur allgemein: »Die Gesundheitsversorgung muss für alle gesichert bleiben.« dpa/nd

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