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Bangladesch: Die Nahrungsmittel werden knapp
Massive Finanzierungslücken gefährden das Leben geflüchteter Rohingya in Bangladesch
»Die geflüchteten Rohingya in Bangladesch sind immer noch komplett abhängig von humanitärer Unterstützung für ihr Überleben. Jede Reduktion der Lebensmittelversorgung wird den Hunger verschärfen und sie dazu zwingen, zu verzweifelten Maßnahmen zu greifen, nur um zu überleben.« Es sind dringliche Worte, die der Landesdirektor des Welternährungsprogramms (WFP) in Bangladesch, Domenico Scalpelli, an die Öffentlichkeit richtet. Wenn es keine neue und höhere Finanzierung für die humanitäre Hilfe vor Ort gebe, müsste das Budget für eine monatliche Lebensmittelration für die über eine Million geflüchteten Rohingya von 12,50 Dollar auf sechs Dollar für eine Person gekürzt werden, so Scalpelli, der die Situation als gravierend bezeichnet.
Die Abhängigkeit von der humanitären Hilfe der UN ist dabei unter anderem eine Folge des Umgangs von Bangladesch mit den Geflüchteten. Ihnen ist es verboten, die Lager zu verlassen, regulär zu arbeiten oder zur Schule zu gehen. Alternativen zur Hilfeleistung der UN sind dementsprechend die wenigen Möglichkeiten, über Projekte von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in den Lagern etwas dazuzuverdienen oder heimlich außerhalb der Lager illegal zu arbeiten, was von Feldarbeit bis zum Drogenhandel alles bedeuten kann. Das WFP befürchtet, dass eine Reaktion nun sein könnte, dass die Familien sich gezwungen sehen, ihre Kinder zur Arbeit zu schicken und ihre Mädchen möglichst früh zu verheiraten. Der Rohingya Linn Khant, der selbst aus den Lagern geflohen ist und sich als Bangladeschi ausgegeben hat, um zu studieren, ist überzeugt, dass hier das Hauptproblem liegt: »Wenn unsere Leute ein Recht auf Bildung und zur Arbeit bekommen würden, dann würden wir zur Wirtschaft in Bangladesch beitragen und die Krise in den Lagern wäre weniger schlimm.«
Opfer eines Genozids in Myanmar
Nach Bangladesch floh der Großteil der muslimischen Rohingya 2017, als sie in Myanmar Opfer eines Genozids durch das Militär und der buddhistischen Mehrheitsgesellschaft wurden. Wegen des anschließenden brutalen Bürgerkriegs in Myanmar folgten bis heute immer mehr Rohingya, welche vor Zwangsrekrutierungen und ethnischen Säuberungen Schutz suchten. In Cox’s Bazar vergrößerte die Regierung in Bangladesch die vorhandenen Lager für die Geflüchteten, wo sie von der lokalen Bevölkerung weitestgehend isoliert bleiben sollten. Das Ziel der Regierungspolitik war und ist, die Rohingya wieder zurück nach Myanmar schicken zu können, sobald die Entwicklung im Bürgerkrieg das zulässt. Der Sturz der Regierung in Bangladesch im vergangenen Sommer hat an dieser Politik nichts verbessert, die aktuelle Übergangsregierung setzt den bisherigen Kurs fort. Bis zu den Neuwahlen – aktuell für Ende 2025 oder Anfang 2026 angekündigt – wird sich daran voraussichtlich nichts ändern. Bei einer Armutsquote im Land von 70 Prozent argumentiert die Regierung, dass Bangladesch selbst wenig zur Unterstützung beitragen kann. Eine Einschätzung, der Kun Li vom WFP zustimmt: »Bangladesch ist immer noch eines der am wenigsten entwickelten Länder. Die Armut ist also real.«
Bei Halbierung der Lebensmittel droht Hungerkrise
Den Rohingya bleibt nur die Unterstützung durch die UN. Das WFP nannte einen konkreten Bedarf von 15 Millionen Dollar im April und bis Ende des Jahres insgesamt 81 Millionen Dollar. Die Höhe der notwendigen Unterstützung, so Kun Li, wird ganz nüchtern errechnet: »Nach internationalen humanitären Grundsätzen benötigt ein Mensch täglich 2100 Kilokalorien. Um das zu erreichen, brauchen wir natürlich Lebensmittel. Die 12,50 Dollar sind also das Ergebnis der Berechnung.« Bei dieser Berechnung wird schon abgezogen, dass die Rohingya auch aktiv sind und sich einen Teil des Bedarfs irgendwie selbst organisieren. Eine Halbierung dieser Lebensmittel wird eine Hungerkrise auslösen, wovon vor allem die fast 500 000 Kinder betroffen sein werden. Rana Flowers, Pressesprecherin des Kinderhilfswerks Unicef, berichtet von einem Anstieg der akuten Unterernährung bei Kindern von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sollte es kein weiteres Geld geben, könne Unicef »nur die Hälfte aller Kinder behandeln« und es würde »zu einem Anstieg in Morbidität und Mortalität kommen«.
Der aktuelle Aufruf für mehr humanitäre Hilfsgelder folgte direkt nachdem am 10. März die USA angekündigt hatten, 80 Prozent der USAID-Förderung zu streichen. Doch auch Deutschland hat im vergangenen Haushalt die Gelder für humanitäre Hilfe beim Auswärtigen Amt um fast die Hälfte gekürzt. 2023 und 2024 hatte die Bundesregierung noch insgesamt 9,4 Millionen Euro für die Ernährungsnothilfe des WFP bereitgestellt. Für 2025 gibt es aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung und der laufenden Regierungsbildung noch keine Angaben.
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