Nachtruhe wichtig für die Moral

Eine Rezension des Buches »Die schlaflose Gesellschaft«

  • Angela Stoll
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Schlaf hat in unserer Gesellschaft ein schlechtes Ansehen. Schlafen gilt vielen als uncool - wer erfolgreich ist, schläft nicht. Auch am Mittagsschlaf, der erwiesenermaßen leistungssteigernd ist, haftet hierzulande ein Oma-Image. In seinem Buch »Die schlaflose Gesellschaft« räumt der Psychotherapeut und Schlafforscher Hans-Günter Weeß gründlich mit solchen Vorurteilen auf. Wer schläft, wie es seinen individuellen Bedürfnissen entspricht, ist tagsüber fitter und lebt gesünder. Weeß zeigt eindrücklich, dass einige gesellschaftliche Rahmenbedingungen schlafraubend sind: So beginnen Schule und Arbeit für einen Großteil der Deutschen viel zu früh. Schichtarbeit, Stress und die Allzeit-Erreichbarkeit durch neue Medien beeinträchtigen den Schlaf und können langfristig zu Schlafstörungen führen.

Folgen von Müdigkeit werden nach wie vor stark unterschätzt. Auf den Straßen, so schreibt der Psychologe, sterben doppelt bis dreifach so viele Menschen durch schläfrige und übermüdete Fahrer als aufgrund von Alkohol. Den volkswirtschaftlichen Schaden, den Schlafgestörte durch Fehlzeiten und Produktivitätsausfälle verursachen, schätzt Weeß auf rund 18 Milliarden Euro pro Jahr. Nicht beziffern lassen sich die immateriellen Kosten. So gaben bei einer Allensbach-Studie 61 Prozent der Politiker an, sich regelmäßig unausgeschlafen zu fühlen. Eine derartige Übermüdung kann weitreichende Konsequenzen haben, wie Weeß schreibt: »Moralische Wertvorstellungen, die sowohl wirtschaftliche als auch politische Entscheidungen nachhaltig bedingen, werden bei Schlaflosigkeit und Tagesschläfrigkeit eher vernachlässigt.«

Neben diesen alarmierenden Zusammenhängen zeigt der unterhaltsam geschriebene Band, wie sich Schlafdauer und Schlafarchitektur mit dem Alter verändern. Besonders profitieren können Leser mit Schlafproblemen aber vom zweiten Teil des Buchs. Weeß erklärt hier Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Schlafstörungen und beleuchtet Phänomene wie Schnarchen und Schlafwandeln, die sehr belastend sein können. Zudem räumt er mit einigen gängigen Mythen auf: So sei etwa die Behauptung, dass Schlaf vor Mitternacht besonders wertvoll sei, blanker Unsinn. Gerade in diesem Teil merkt man, dass der Autor jahrelange Erfahrung in der Behandlung schlafgestörter Patienten hat.

Durch die Fallbeispiele, die er beschreibt, hat das Buch viel Bezug zur Praxis. Wertvoll sind vor allem die konkreten Tipps, die Menschen mit leichteren Schlafproblemen helfen können, wieder zu erholsamen Nächten zu finden. Ein Motto des Buchs lautet nämlich: »Wer schlafen will, bleibt wach!« Damit meint der Autor: Erst wer sich entspannt und loslässt, kann ruhig schlummern.

Hans-Günter Weeß: Die schlaflose Gesellschaft. Wege zu erholsamem Schlaf und mehr Leistungsvermögen. Schattauer, 268 S., 19,99 €.

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