Kontrollverlust im Hirn

Warum Parkinson häufiger wird – und was gegen den Abbau von bestimmten Nervenzellen helfen könnte

  • Alice Lanzke
  • Lesedauer: 3 Min.
Veränderungen im Gehirn durch Parkinson sind mit Medikamenten noch nicht zu verhindern.
Veränderungen im Gehirn durch Parkinson sind mit Medikamenten noch nicht zu verhindern.

Unter den neurologischen Erkrankungen wächst weltweit die Zahl der Parkinson-Fälle am schnellsten. Allein in Deutschland sind aktuellen Zahlen zufolge fast 300 000 Menschen ab 40 Jahren betroffen. Typische Symptome wie unkontrollierbares Zittern, verlangsamte Bewegungen und Gleichgewichtsstörungen treten meist erst im Alter auf. Doch die Erkrankung beginnt lange vorher.

Eine aktuelle Studie im Fachblatt »BMJ« prognostiziert, dass sich die Zahl der Betroffenen weltweit von 11,9 Millionen im Jahr 2021 bis 2050 mehr als verdoppeln könnte. Für Deutschland werden 574 000 Erkrankte vorhergesagt – das wäre nach China, Indien und den USA die vierthöchste Zahl an Patienten.

Bei Parkinson sterben im Gehirn jene Nervenzellen ab, die Dopamin produzieren – ein für die Bewegungssteuerung wichtiger Botenstoff. Dabei ist das Protein Alpha-Synuclein zentral: Fehlgefaltete Formen dieses Proteins verklumpen und lagern sich im Hirn ab. »Die genauen Ursachen sind aber noch nicht bekannt«, sagt die Neurologin Brit Mollenhauer, Chefärztin an der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel. Wahrscheinlich handele es sich um ein Zusammenspiel aus Umwelt-, Stoffwechsel- und genetischen Faktoren.

Als weitere Symptome treten Muskelverspannungen, Gang- und Gleichgewichtsstörungen auf. Ebenso können Betroffene eine starre Mimik und eine leise oder monotone Sprache aufweisen. Zudem können sich Schlaf- und Riechstörungen, Depressionen und kognitive Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz zeigen.

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Studien legen nahe, dass eine ganze Reihe von Umweltgiften das Risiko für Parkinson erhöht, darunter vor allem Pflanzenschutzmittel. »Viele Pestizide haben gemein, dass sie Entzündungsprozesse im Hirn und oxidativen Stress auslösen«, erklärt Eva Schäffer von der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel. Daneben verändern Pestizide aber auch Stoffwechselvorgänge und setzen weitere Mechanismen im Gehirn in Gang, die zur Krankheit beitragen. Entsprechend beschloss ein Sachverständigenbeirat 2024 eine wissenschaftliche Empfehlung für »Parkinson-Syndrom durch Pestizide« als Berufskrankheit – ein Schritt, der in anderen Ländern schon vor Jahren vollzogen wurde.

Laut Neurologin Schäffer gibt es weitere Umweltfaktoren, bei denen sich Hinweise auf ein erhöhtes Parkinson-Risiko mehren, darunter vor allem das häufig genutzte Lösungsmittel Trichlorethylen. Auch Luftverschmutzung, letztere vor allem in Form von Feinstaub, trägt dazu bei. Schließlich spiele der individuelle Lebensstil eine zentrale Rolle. So gehörten körperliche Inaktivität, aber auch eine an stark verarbeiteten Lebensmitteln reiche Ernährung zu den Risikofaktoren.

Etwa zehn Prozent der Parkinson-Erkrankungen sind genetisch bedingt. Für den weitaus größeren Teil der Fälle ergeben sich aus den Risikofaktoren weitreichende Präventionsmöglichkeiten: »Wer moderaten Ausdauersport betreibt, kann das Risiko für Parkinson um bis zu 60 Prozent senken«, betont Schäffer. Dabei müsse es keine bestimmte Sportart sein: »Alles, was Herz- und Atemfrequenz steigert, hilft.«

Insbesondere für Menschen im mittleren Alter wäre eine Stunde Sport am Tag ideal, kombiniert mit einer entsprechenden Ernährung.« Dabei seien viel Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte vorteilhaft, so Schäffer: »Ballast- und Pflanzenstoffe wirken sich positiv auf das Darmmikrobiom aus.« Dazu passt, dass viele Parkinson-Patienten teils schon Jahrzehnte vor ihrer Diagnose unter schwerer Verstopfung leiden.

Parkinson ist bislang nicht heilbar. Verschiedene Behandlungsansätze können den Krankheitsverlauf verlangsamen und die Symptome lindern. Dabei werden in der Regel Arzneien eingesetzt, die den Botenstoff Dopamin ersetzen. Bewegungs- und Ergotherapien sowie eine angepasste Ernährung helfen Betroffenen, ihre Lebensqualität möglichst lange zu erhalten.

In fortgeschrittenen Stadien kann auch die Tiefe Hirnstimulation eine Option sein. Dabei werden Elektroden ins Gehirn eingesetzt, um krankhafte Nervenaktivitäten mit elektrischen Impulsen zu regulieren. Derzeit wird intensiv an neuen Behandlungsmöglichkeiten geforscht. Ein Ansatz sind Antikörpertherapien, die Alpha-Synuklein gezielt binden und dessen Ablagerung verhindern sollen. dpa/nd

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