Weicher Start, harte Landung

Im Kino: »Hope for All« dokumentiert unsere Essgewohnheiten

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist unsere gewissenlose Gier, die Zivilisationskrankheiten hervorbringt. Das ist die Botschaft, mit der »Hope for All« antritt. »Unsere Nahrung - Unsere Hoffnung« lautet der Untertitel des österreichischen Dokumentarfilms, und mit »uns« ist hier nicht nur der westliche Mensch mit seinem chronischen Übergewicht und seinen Herz-Kreislauf-Erkrankungen gemeint, sondern der ganze klimaerwärmungsbedrohte Planet. Mit allem, was darauf kreucht und fleucht. Und da ist der Mensch eben nur einer unter vielen.

Die Zeitzeugen, die die Ernährungstrainerin und debütierende Filmemacherin Nina Messinger für ihren Film befragt hat, sind als Tierschützer meist nicht geboren worden. Manch einer von ihnen hat die Wandlung vom Saulus zum Paulus erst spät durchlaufen. Karl Ludwig Schweisfurth, vom Wurstgroßproduzenten zum Öko-Unternehmer umgestiegener Landwirt in Bayern, ist wohl das prominenteste Beispiel. Der Film versammelt viele Geläuterte wie ihn, einstige Milchbauern, Schlachthofmitarbeiter, Herzkranke und Diabetiker, die irgendwann nicht mehr so weitermachen konnten oder wollten. Und auf eine vegane Lebenshaltung umstellten.

Das Wort fällt spät, erst nach einer runden halben Stunde. Von rein pflanzlicher Ernährung ist vorher die Rede, wohl weil das weniger verbissen, weniger nach Einschränkung, weniger: grün klingt. Ganz viel Gemüse rückt früh ins Bild, und ist so ausgeleuchtet, dass es Appetit machen soll. Eine Phalanx von Ernährungswissenschaftlern warnt vor den Gefahren, die die westliche Fleisch- und Milchvöllerei mit sich bringt. Eine paar Genesene aus den USA erzählen von ihren früheren Leiden - vom Herzinfarkt über Diabetes bis zur Krebserkrankung -, die sich seit der Umstellung ihrer Ernährung völlig gegeben hätten.

Der Primatenforscherin Jane Goodall strahlt die Botschaft der Hoffnung für alle schon aus dem Gesicht - auch wenn gerade sie eigentlich allen Grund hätte, wenig optimistisch in die Zukunft zu blicken, so radikal hat sie den Lebensraum für Schimpansen sich verkleinern sehen im Laufe ihres Lebens mit den Tieren. Sie fordert auf zu einem Leben im Einklang mit Natur und Tier. Schöne Landschaften laden derweil zum Picknick, eine bunt gekleidete Menschenkette aus garantiert restlos überzeugten Veganern wird am Ende in sonnenlichten Bildern den aktiven Solidargedanken transportieren und viel liebes Vieh in inniger Streichelsymbiose mit ganz, ganz lieben Menschen zu sehen sein.

So weit, so sülz. Man möchte den Film schon aufgeben, weil er sich in Endlosschleifen zu verlieren droht, mit viel zu vielen weichgezeichneten Bilder, zugekleistert mit viel zu viel symphonischer Wohlfühlmusik. Dann aber dreht Messinger die Zielrichtung. Wendet die Kamera weg vom Kuscheln mit Tier und Gemüse und hört auf, dem Zuschauer die Vorteile der veganen Ernährung für den eigenen Körper anzupreisen. Stattdessen schickt sie sich an, jedem gewissenlosen Fleischesser gründlich den Appetit zu verderben. Das gelingt - und wie es gelingt. Mit Bildern aus der Massentierhaltung, teils bekannt aus den Reportagen von Manfred Karremann, aber in ihrer Häufung so unerträglich, dass man um Gnade flehen möchte, obwohl man doch sicher im Sessel hinter der Kamera sitzt und das miese bisschen Leben, das Mensch seinen Nutztieren gönnt, gar nicht mal selbst ertragen muss.

Als Josef Walchshofer, ehemaliger Schlachter aus Österreich, erzählt, wie er sich als gedungenen Killer im Auftrag der Fleischesser erkannte und daraufhin den Job aufgab, entfährt einem ein Seufzer der Erleichterung: Eine Umkehr ist möglich. »Hope for All« ist ein Film, der regelmäßig im KiKa laufen müsste - dann hätte sich das Problem wohl schnell erledigt. Denn wer diese Bilder sah, der möchte ganz gewiss kein Fleisch mehr essen. Also kann man sie gar nicht jung genug sehen. Die Altersfreigabe ab zwölf Jahren ist hart, aber berechtigt: Durch die Alpträume, die dieser Film hervorruft, wird man wohl hindurch müssen. Denn so, wie wir diesen Planeten totfuttern, so geht es einfach nicht weiter.

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